Green New Deal für die Chemieindustrie?

Wer aus der Umweltbewegung kommt und vielleicht schon ein bisschen älter ist, der denkt beim Wort "Chemieindustrie" bestimmt an Seveso, Bhopal oder Sandoz. Katastrophale Chemieunfälle dieser Art hat es glücklicherweise in der jüngeren Vergangenheit nicht mehr gegeben - und auch ansonsten scheint die chemische Industrie die Zeichen der Zeit erkannt zu haben. Das war jedenfalls der Eindruck, den unsere Diskussion in Burghausen, inmitten des südostbayerischen "Chemiedreiecks", vermittelte.

Chemieindustrie Podiumsdiskussion
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Die Diskussionsrunde in Burghausen: Dr. Willi Kleine, Dieter Janecek, Moderator Markus Koch, Carl-Otto Gensch, Harry Klein (von links nach rechts)

Probleme – Chancen – Perspektiven

Wer aus der Umweltbewegung kommt und vielleicht schon ein bisschen älter ist, der denkt beim Wort "Chemieindustrie" bestimmt an Seveso, Bhopal oder Sandoz. Katastrophale Chemieunfälle dieser Art hat es glücklicherweise in der jüngeren Vergangenheit nicht mehr gegeben - und auch ansonsten scheint die chemische Industrie die Zeichen der Zeit erkannt zu haben. Das war jedenfalls der Eindruck, den unsere Diskussion in Burghausen, inmitten des südostbayerischen "Chemiedreiecks", vermittelte.

Dass sich die alten "Frontstellungen" weitgehend aufgelöst haben, das zeigte auch Carl-Otto Gensch vom Öko-Institut in Freiburg in seinem einleitenden Vortrag (Präsentation als PDF-Datei) auf. Zwar tragen Produkte der chemischen Industrie weiterhin zur Schadstoffproblematik bei, z.B. die halogenorganischen Verbindungen oder auch hormonell wirksame Umweltchemikalien wie Bisphenol A. Und auch der hohe Energieverbrauch der Chemiebetriebe sei nach wie vor ein Problem für den Klimaschutz.

Auf der anderen Seite trägt die Chemieindustrie heute - so Gensch - aber auch zum Klimaschutz und zur Ressourceneffizienz bei: Gebäudedämmung, energiesparende Beleuchtung, Leichtbau-Automobile und viele andere Verbesserungen im Umweltschutz seien ohne entsprechende Produkte der Chemieindustrie gar nicht denkbar. Diese "Janusköpfigkeit" stellt laut Gensch in der Zukunft eine besondere Herausforderung für Unternehmen wie die Wacker AG dar. Dieser Herausforderung müsse sie sich stellen, indem sie von Erdgas und Erdöl als Energieträgern wegkomme und die negativen Wirkungen von Chemikalien auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt auf das geringstmögliche Maß reduziere.

Dr. Willi Kleine, Betriebsleiter des Werks Burghausen der Wacker Chemie AG, präsentierte sein Unternehmen ganz in diesem Sinne auf einem guten Weg hin zu einer nachhaltigen Entwicklung (seine Präsentation kann bei uns bestellt werden). Nachhaltiges Wirtschaften sei Kernelement der Unternehmensziele: Wacker versuche,
die Balance zwischen ökonomischen, ökologischen und sozialen Zielen herzustellen. In diese Nachhaltigkeitsstrategie seien auch Lieferanten und Dienstleister des Unternehmens eingebunden. Nebenprodukte und Abwärme der Anlagen werden - so Kleine - der Produktion über hochkomplexe Produkt- und Energiekreisläufe erneut zugeführt. Diese Synergien führen zu einer sehr hohen Effizienz und zu deutlichen Kostenvorteilen.

Dieter Janecek, Landesvorsitzender der bayerischen Grünen, unterstrich in seinem Statement (Kurzfassung als PDF-Datei) die Notwendigkeit eines forcierten ökologischen Umbaus insbesondere im Hinblick auf den notwendigen Umwelt- und Klimaschutz. Technologische Lösungen seien dabei aber nicht ausreichend, sondern es müsse die Orientierung an ökonomischen Wachstumsimperativen generell überdacht werden. Der ökologische Umbau müsse mit gemeinsam im Dialog gefundenen Lösungen bewerkstelligt werden. Die Politik müsse für diesen Umbau die entsprechenden langfristigen Rahmenbedingungen bereitstellen.

Harry Klein, Gesamtbetriebsratsvorsitzender der Wacker Chemie AG, betonte, dass der Umbau der Chemieindustrie auf Seiten der Arbeitnehmer mit einer vorausschauenden Weiterqualifikation für neue Aufgaben und neue Arbeitsplätze verbunden sein müsse. Lebenslanges Lernen sei auch notwendig, um den bevorstehenden demografischen Wandel, der sich in der Chemieindustrie in einem absehbaren Mangel an Fachkräften auswirken werde, bewältigen zu können.

Die intensive Diskussion zeigte,  dass das Ziel der Nachhaltigkeit als wirtschaftliche Maxime für die weitere Entwicklung der Chemieindustrie im Grundsatz von allen geteilt wird. Postuliert werden allerdings verlässliche politische und ökonomische Rahmenbedingungen für diese Nachhaltigkeitsstrategie.

 

Zum Weiterlesen:

 

Schriften zur Ökologie, Band 10:
Nachhaltige Industriepolitik
Wie man die Grüne Industrielle Revolution gestaltet

Memorandum zu den Leitprinzipien und Perspektiven für die Transformation der europäischen Industrie
Von Claudia Kabel und Christian Hochfeld
sowie Hendrik Acker, Regine Barth, Beate Kallenbach, Carl-Otto Gensch, Gerhard Schmidt und Christof Timpe
Herausgegeben von der Heinrich-Böll-Stiftung
In Zusammenarbeit mit dem Öko-Institut und der Green European Foundation
Berlin, Mai 2010, 72 Seiten

Auch als PDF-Datei erhältlich!

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