Zukunftsfähige Kommunen

Modelle - Projekte - Perspektiven.
Eine Bildungsreise durch Franken

Urbaner Gartenbau in Bamberg

Vor Ort, in den Kommunen, entscheidet sich, ob der Weg in die Zukunft "regenerativ", "nachhaltig" sein wird. Das gilt nicht nur für den Energie- und Ressourcenverbrauch, sondern auch für den Umgang mit den Herausforderungen des demografischen Wandels. Unsere Exkursion führte uns auf eine Entdeckungsreise durch Franken, auch und gerade in Regionen, die durch den ökonomischen und demografischen Strukturwandel besonders stark betroffen sind. Dort versuchen Kommunen, mit Ideenreichtum und Eigeninitiative, den Weg in ihre regenerative Zukunft zu finden. Unser Bildungsreise zeigte anhand von konkreten Projekten und Initiativen, wie dies konkret aussehen kann.

 

Diskussion mit Gertrud Leumer

Gertrud Leumer, Dipl.-Ing. Landespflege und Gärtnerin in sechster Generation, erläuterte das vom Bundesbauministerium geförderte Modellprojekt „Urbaner Gartenbau“ in Bamberg, das rund um die Landesgartenschau 2012 entstand und noch bis 2013 läuft. Die innerstädtischen Gärtnerflächen sind substanzieller Teil des Weltkulturerbes und haben eine jahrhundertealte Tradition. Allerdings existieren heute von ehemals 400 Gärtnerbetrieben nur noch 40. Mit dem Projekt sollte der Niedergang gestoppt und neue Perspektiven für die Erwerbsgärtnerei aufgezeigt werden. Das heißt: Urbanes Gärtnern heißt in Bamberg im Gegensatz zu anderen Städten, in denen es eher um Freizeitgärten, interkulturelle Gärten und Subsistenzwirtschaft geht, vor allem Erhaltung und Stärkung des Erwerbsgartenbaus.

Gertrud Leumer wies noch auf eine Besonderheit hin: die Wiederbelebung des Süßholzanbaus, das in Bamberg einmal das wichtigste Anbauprodukt gewesen, aber völlig in Vergessenheit geraten war. Das inzwischen verschollene Wissen um dieses gewächs (Grundprodukt für die Lakritzherstellung, aber auch als Heilmittel wichtig) muss mühsam wieder erworben werden. Die Bamberger Süßholzgesellschaft widmet sich diesem Projekt mit Ausdauer und Engagement.

Kontakt:
Internet: http://www.biokraeuter.info/

Weitere Informationen: 

Bamberger Süßholzgesellschaft: http://www.bamberger-suessholz.de/
Gärtnerstadt Bamberg: http://www.gaertnerstadt-bamberg.de
Plan „Ein Spaziergang durch die Gärtnerstadt“ (PDF-Datei!)
Gärtner- und Häckermuseum: http://www.ghm-bamberg.de
Martin Rasper: Vom Gärtnern in der Stadt. Die neue Landlust zwischen Beton und Asphalt, München 2012
Christa Müller (Hrsg.): Urban Gardening. Über die Rückkehr der Gärten in die Stadt, München 2011
Stephanie Bock/Ajo Hinzen/Jens Libbe/Thomas Preuß/André Simon/Daniel Zwicker-Schwarm: Urbanes Landmanagement in Stadt und Region. Urbane Landwirtschaft, urbanes Gärtners und Agrobusiness. Difu-Impulse 2/2013. Berlin 2013
Christa Müller: Die grüne Guerilla - Über eine politische Avantgarde. eNewsletter Wegweiser Bürgergesellschaft 16/2012 (PDF-Datei!)

 

Gespräch mit Martin Kastner

In Mitwitz im Frankenwald standen die Anstrengungen von etlichen Gemeinden im Landkreis Kronach im Mittelpunkt, sich zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien zu versorgen.  Die TN besichtigten eine hochmoderne Biogas-Anlage und ein Hackschnitzelheizwerk (technische Details zu den Anlagen: hier!), das von einer Energiegenossenschaft betrieben wird. Dies ist das bisher größte Projekt im Rahmen der "Energievision Frankenwald". Rund 120 Liegenschaften sind das vom Heizwerk gespeisten Nahwärmenetz angeschlossen. Martin Kastner, der Leiter des Projekts "Bioenergiegemeinden im Frankenwald", erläuterte, dass sich in der Potentialanalyse eine Versorgung zu 100% aus erneuerbaren energien als durchaus realistisches Ziel erwiesen habe. Das durch LEADER-Mittel finanzierte Projekt hat das Ziel, regionale Wertschöpfung und Unabhängigkeit von Öl-Multis zu gewährleisten und eine sichere und zukunftsweisende Energieversorgung in Bürgerhand zu gewährleisten, die ohne fossile und atomare Energieträger auskommt.

Kontakt:
Internet:  http://www.energie-frankenwald.de/

Weitere Informationen:
Projekt „Bioenergiedörfer im Frankenwald“ (LEADER-Projekt): http://www.energie-frankenwald.de/bioenergiedoerfer-frankenwald.html
Projektbroschüre: http://www.energie-frankenwald.de/downloads/Bioenergiegemeinden%20im%20Frankenwald_small.pdf

 

Gespräch mit Norbert Zösch

Die Umsetzung der Energiewende stand auch in Haßfurt im Zentrum, wo die Stadtwerke in geradezu vorbildlicher Weise die Versorgung mit erneuerbaren Energien vorantreiben. Norbert Zösch, Geschäftsführer der Stadtwerke, erläuterte in eindrucksvoller Weise, den bisherigen Weg und die Perspektiven der Stadtwerk-Politik, der den Unternehmenserfolg und die ökologische Orientierung der Stadtwerke gleichermaßen garantieren soll. Vorbildlich ist vor allem die Arbeit im Strombereich. Als erstes Stadtwerk in Deutschland hat es flächendeckend im gesamten Versorgungsgebiet den Einbau von intelligenten Stromzählern vorgenommen. Der Energieverbrauch der Kunden wurde somit transparent. Im eigens dafür eingerichteten Webportal kann nachvollzogen werden, wie sich der Stromverbrauch verändert, sobald beispielsweise Haushaltsgeräte durch energieeffiziente ersetzt werden. Auch günstige Stromtarife oder Schwachlastzeiten lassen sich so effektiver nutzen. Die Integration der erneuerbaren Energien geht auch in Zukunft zeitnah weiter: Bis 2015 soll der Strombedarf vollständig auf Basis regenerativer Energien sichergestellt werden. Die Hälfte wird durch Windenergie, gut ein Drittel durch Biogas und 20 Prozent mit Photovoltaik erzeugt werden. Ein wegweisendes Projekt ist das geplante Power to Gas-Vorhaben. Die Idee dahinter ist, mit Hilfe von regenerativem Überschussstrom Wasser durch Elektrolyse in Wasserstoff oder in einem weiteren Schritt in Methan umzuwandeln und zu speichern, um Fluktuationen in der Stromgewinnung aus erneuerbaren Energien ausgleichen zu können.

Kontakt:
Internet: http://www.stadtwerkhassfurt.de/ 

Weitere Informationen:
Deutsche Umwelthilfe: Stadtwerke als Vorreiter der Energiewende. Gewinner und gute Beispiele des Wettbewerbs. Radolfzell 2013.

 

Gespräch mit Antje Angles

Antje Angles, Betreuungs- und Versorgungsmanagerin, und Bürgermeister Klaus Löffler informierten über die Bemühungen der kleinen Frankenwaldgemeinde Steinbach am Wald, sich in einer strukturell benachteiligten Region gegen die Folgen des demografischen Wandels zu wappnen und Lebensqualität für alle Generationen zu gewährleisten. Kernstück des Konzepts ist eine flexible Kinderbetreuung, die für die Zeit von 6 bis 22 Uhr gewährleistet wird. So ist es auch für Alleinerziehende und für Paare, bei denen beide Partner berufstätig sind, möglich, Kinder aufzuziehen. Das ist in einer Region, die von Bevölkerungsverlusten stark betroffen ist, besonders wichtig. Gerade in Steinbach am Wald ist dieser Faktor von enormer Bedeutung, weil die Industriebetriebe vor Ort Schichtbetrieb haben und von ihren Beschäftigten große Flexibilität fordern. Da diese Kinderbetreuungszeiten die im KiTa-gesetz vorgesehenen Zeiten weit überschreiten, hat die Gemeinde eine Finanzierung aus mehreren Quellen umgesetzt. Vor 7 Uhr greift die tagespflege, für die Zeit nach 16 Uhr wurde ein eigenständiger Verein gegründet, zu dessen Finanzierung auch die örtlichen Industriebetriebe beitragen.

Steinbach – das berichteten Angles und Löffler voller Stolz – konnte auf diese Weise eine Trendwende in der Bevölkerungsentwicklung einleiten. Das Betreuungssystem hat sich als „Stoppschild gegen den demografischen Wandel“ erwiesen. Die geschaffenen Betreuungsstrukturen vom Kleinkind bis ins hohe Alter gewährleisten die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Familienfreundlichkeit erweist sich somit als „harter Standortfaktor“.

Kontakt:
Internet: http://www.lebensqualitaet-fuer-generationen.net/

 

Gespräch mit Anne Abb

Ebenfalls im Bereich der Sozialpolitik angesiedelt waren die Projekte, die in Aschaffenburg besichtigt wurden.  Interessant war das gemeinschaftliche Wohnprojekt WiGe, das gemeinsam mit der Aschaffenburger Stadtbau GmbH in einem generalsanierten Konversionsgebäude realisiert wurde und von einem eingetragenen Verein getragen wird. Anne Abb  erläuterte Entstehung und Entwicklung des Projekts und beantwortete zahlreiche interessierte Fragen nach den internen Regeln des Zusammenlebens. So hat der verein ein Erstbelegungsrecht für frei werdende Mietwohnungen, alle relevanten Fragen werden in einer alle vier Wochen stattfindenden Hausgemeinschaftssitzung besprochen. Gegenwärtig wohnen im haus 43 bewohner/innen jeden Alters, darunter auch 11 Kinder. Die Miete beträgt derzeit 6,15 Euro (kalt). Darin inbegriffen sind auch die Kosten für die Gemeinschafteinrichtungen. Dazu gehören auch ein großer Gemeinschaftsraum mit Küche (für Versammlungen, Feste etc.) sowie eine Gästewohnung, die bei Bedarf gegen Entgelt belegt werden kann.

Kontakt:
Internet: http://www.stadtbau-aschaffenburg.de/30 und http://www.wige-ab.de/

 

Gespräch mit Annerose Baumann

Annerose Baumann vom Mehrgenerationenhaus und Mütter- und Familienzentrum (MUH-MütZe) gab einen Überblick über die umfangreichen Aktivitäten dieses vornehmlich auf ehrenamtlicher Arbeit beruhenden Zentrums und wies auch die stets prekäre finanzielle Grundlage solcher Projekte hin. Die Finanzierung speist sich aus ganz unterschiedlichen Töpfen und ist oft befristet und damit auch unsicher. MütZe bietet offene Angebote von ehrenamtlichem Personal, die oft als "Testballon" gestartet werden und sich dann zu regelmäßigen Angeboten entwickeln. Die derzeit 45 ehrenamtlichen Mitarbeiter/innen leisten über 5.200 Stunden im Jahr, die mit 4 Euro Aufwandsentschädigung pro Stunde "vergütet" werden. 

Kontakt:
Internet: https://miz-ab.de/muetter-und-familienzentrum/

 

Gespräch mit Tobias Pommerening

Fragen der Stadtentwicklung standen im Mittelpunkt der Projekte in Würzburg und Ochsenfurt. In Würzburg wurde das derzeit nicht mehr genutzte Gelände der ehemaligen Leighton-Barracks der US-Army besichtigt. Dort findet 2018 die Landesgartenschau statt und der Rest des Geländes wird zu einem neuen Würzburger Stadtteil vorwiegend mit Wohnbebauung, aber auch mit nicht störendem Gewerbe und Gemeinbedarfseinrichtungen entwickelt. Tobias Pommerening vom Fachbereich Planen – Konversion der Stadt Würzburg gab einen sehr interessanten Einblick in die Planungen. Die Reisegruppe war die allererste, die dieses Gelände überhaupt besichtigen durfte. Die prognostizierten Gesamtkosten der Maßnahme belaufen sich auf 130 Mio. Euro für die Stadt Würzburg, die das Projekt im Rahmen des städtischen Haushalts abwickelt. Das Gelände konnte in seiner Gesamtheit (außer einem Teil, den der Freistaat Bayern für die Entwicklung der Würzburger Universität bereits erworben hatte) von der bundeseigenen BIMA gekauft werden - nicht zuletzt weil die Stadt Würzburg mit der Durchführung einer städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme nach BauGB "gedroht" hatte. Von den über 100 Gebäuden sollen voraussichtlich 16 erhalten werden, darunter der ehemalige Tower, die Sporthalle, das Theater und einige gut erhaltene ehemalige Mannschaftsgebäude. Das Gelände ist schon jetzt gut durchgrünt, vor allem der alte Baumbestand soll erhalten bleiben. Dagegen muss die Infrastruktur (Stromnetz, Abwasserkanäle etc.) komplett erneuert werden. Das Gebiet wird neu strukturiert, dabei wird auch das jetzt noch völlig überdimensionierte Straßennetz (inkl. Parkierungsanlagen) neu angelegt.

Weitere Informationen:
Rahmenplan Hubland: http://www.wuerzburg.de/de/themen/bauen-wohnen/stadtentwicklung/konversionverfahrenleightonbarracks/integriertesstadtentwicklungskonzeptisek/rahmenplanbeschlossen/m_41654_dl
 

Gespräch mit Peter Liczewski

In Ochsenfurt ging es zum Abschluss der Reise um die Verkehrspolitik, die auch dort eines der umstrittensten kommunalen Themen darstellt. Die Verkehrsberuhigung in der historischen Altstadt wurde mittels eines „Shared Space“, also der gleichberechtigten Nutzung des Straßenraums durch alle Verkehrsteilnehmer, durchgeführt. Dies hat zu einer deutlichen Abnahme und einer ebenso deutlichen Verlangsamung des Kfz-Verkehrs geführt, das Miteinander der unterschiedlichen Verkehrsarten erscheint nach dem Augenschein der Gruppe relativ unproblematisch. Ein Planungsfehler ist jedoch offensichtlich: Für sehbehinderte Menschen ist der Bereich nur schwer begehbear, da Orientierungsmarkierungen völlig fehlen. Und auch die im Kernbereich existierenden Parkflächen sind - auch wenn es nur relativ wenige sind - sind mit dem Shared Space-Prinzip eigentlich nicht vereinbar. Dennoch ist auch diese Lösung umstritten: Die Grünen vor Ort wie der Stadtrat Peter Liczewski, der die langwierige Entstehung des Projekts erläuterte, hätte zumindest für einen Teil der Innenstadt eine echte Fußgängerzone favorisiert, während manche Geschäftsleute schon der Shared Space zu weitgehend ist. "Ein Weg, der alle glücklich macht, ist kaum machbar", war Liczewskis pragmatisches Fazit.

Weitere Informationen:
Netzwerk Shared Space

 

Eine Bildungsreise in Kooperation mit:

GRIBS-Bildungswerk e.V.