Vielfalt im Aktivismus (3/3)

Podcast

In dieser Folge von Böll.Regional trifft Veronika Jellen von der Heinrich Böll Siftung NRW auf Arzu Durmuṣ, die sich in Bergneustadt mit dem Fancy Women Bike Ride für mehr Vielfalt und gleichberechtigte Teilhabe am Straßenverkehr einsetzt.

Das Bild zeigt die Trainingsgruppe bei Fahrrad Frau Freiheit

Selbstbestimmung, Frauenrechte, Sichtbarkeit: Wie kann Vielfalt im Straßenverkehr mitgedacht werden? Welche Rolle spielen dabei individuelles Empowerment und Demonstrationen?
In dieser Folge von Böll.Regional trifft Veronika Jellen von der Heinrich Böll Siftung NRW auf Arzu Durmuṣ, die sich in Bergneustadt mit dem Fancy Women Bike Ride für mehr Vielfalt und gleichberechtigte Teilhabe am Straßenverkehr einsetzt.

Der Fancy Women Bike Ride ist eine globale Mitmach-Fahrradaktion von Frauen für Frauen, die seit 2013 einmal im Jahr im September in vielen Städten zur selben Zeit stattfindet. Auffällig bunt gekleidet fahren die Teilnehmerinnen auf dem Fahrrad durch die Innenstädte. Das Ziel: Mehr Frauen zum Radfahren zu ermutigen, das Radfahren zu einem Teil des Alltags werden zu lassen und die Aufmerksamkeit auf eine nachhaltige Art der Fortbewegung zu ziehen.

Ein Podcast mit:
• Arzu Durmuṣ, Initiatorin des Fancy Women Bike Ride in Bergneustadt und des Trainingsangebots „Fahrrad Frau Freiheit“
• Veronika Jellen, Heinrich Böll Stiftung NRW

Shownotes:

Fancy Women Bike Ride Bergneustadt: https://www.facebook.com/bergneustadtfancywomenbikeride

Fancy Women Bike Ride mit Informationen zur Anmeldung: https://www.suslukadinlarbisikletturu.com/en/

Heinrich Böll Stiftung NRW: https://www.boell-nrw.de

Zur Folge

Transkript

Intro:

Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge der Reihe „Böll Regional“, in der wir Euch Projekte aus verschiedenen Bundesländern vorstellen. 

Die dritte Staffel steht unter dem Thema “Vielfalt” und wir schauen hier auf bürgerschaftliches Engagement, auf Erfolge, Herausforderungen und Visionen, von denen verschiedene Initiativen berichten.

Die dritte Folge führt uns nach Nordrhein-Westfalen, Veronika Jellen hat mit Arzu Durmus, der Initiatorin des Fancy Women Bike Rides in Bergneustadt gesprochen.

Viel Spaß beim Zuhören.

Veronica: Hallo, mein Name ist Veronika Jellen von der Heinrich Böll Stiftung Nordrhein-Westfalen und zu Gast habe ich heute Arzu Durmus. Arzu ist Initiatorin des Fancy Women Bike Rides in Bergneustadt. Das ist eine Fahrradprotestaktion von Frauen für Frauen, bei der es um Empowerment, multikulturelle Sichtbarkeit und selbstbestimmte Teilhabe am Straßenverkehr geht. Was 2013 im türkischen Izmir mit 50 Teilnehmerinnen begann, entwickelte sich schon bald zu einer globalen Bewegung: In diesem Jahr fand die Aktion in über 200 Städten weltweit statt – hier in NRW unter anderem in Großstädten wie Köln und Bielefeld, aber auch in Bergneustadt, der kleinen Gemeinde mit knapp 20.000  Einwohner:innen, auf die wir gleich unseren Blick richten. Das Besondere hier: Im Vorfeld des Aktionstags organisierte Arzu mit der Projektinitiative „Fahrrad, Frau, Freiheit“ ein Trainingsangebot für erwachsene Frauen, die aus den unterschiedlichsten Gründen das Fahrradfahren nie lernen konnten.

Wir fragen heute: Welche Rolle spielen Bewegungen wie der „Fancy Women Bike Ride“ für ein Umdenken im Zugang zu Fortbewegung? Und: Wie kann, wie muss Vielfalt im Streben nach einer nachhaltigen und selbstbestimmten Mobilität mitgedacht werden?

Liebe Arzu, herzlich willkommen und vielen Dank, dass du dir die Zeit für unser Gespräch nimmst heute.

Arzu: Ja, liebe Veronika, ich danke dir für die Einladung und dass ich heute hier sein darf mit diesem Thema und einiges dazu erörtern darf.

Veronica: Ja, sehr gerne. Dann beginnen wir doch mal direkt. Was ist der „Fancy Women Bike Ride“? Und wie entstand die Bewegung?

Arzu: Der „Fancy Woman Bike Ride“ ist eine internationale Fahrrad Ausfahrt von Frauen für Frauen, für mehr gleichberechtigte Teilhabe am Verkehr und für mehr Gleichberechtigung im Alltag. Das ist entstanden 2013 in Izmir durch die Lehrerin Sema Gur und ihre Freundin Pınar Pinzuti. Es findet immer zeitgleich in der Welt innerhalb der europäischen Mobilitäts Woche am dritten Sonntag im September. Dieses Jahr haben etwa 100.000 Frauen weltweit daran teilgenommen. Wichtig ist, dass die Initiative nicht durch Parteien oder Vereine oder Verbände durchgeführt werden darf. Und es darf auch nicht durch Männer organisiert werden. Das ist die Voraussetzung. Und dieses Jahr haben Sie zum 10-jährigen Bestehen auch mehrfache Auszeichnungen erhalten, sehr bedeutend einmal durch die Vereinten Nationen als weltweit bestes Frauen Fahrrad Projekt und gleichzeitig auch durch das Umweltbundesamt. Rundum es ist einfach eine nette Art, auf das Thema Frauen und Rechte und Verkehrswende aufmerksam zu machen.

Veronica: Vielen Dank und kannst du uns noch ein bisschen dazu erzählen, wie es entstand in Izmir?

Arzu: Laut Erzählung vom Sema Gur hat das so begonnen, das Sema gar kein Fahrradfahren konnte. Sie hat erst mit 40 Jahren das Fahrradfahren gelernt. Hervorgegangen sind Ausfahrten im Freundeskreis, an den Wochenenden, wo sie immer außen vorgelassen wurde. Man muss natürlich dabei noch erwähnen sie ist eine Lehrerin an einer renommierten Schule und lehrt natürlich ihren Schüler:innen vielfältige Möglichkeiten im Leben auszuprobieren, auch im Zusammenhang mit Mobilität. Und kann aber selber kein Fahrrad fahren, weil einfach das Umfeld das nicht hergegeben hat aufgrund der Geografie, die Topografie, sie hat es nicht gelernt. Dann hat sie sich dazu entschlossen, das Fahrradfahren zu lernen. Aber in ihrem Umfeld wurde das Fahrradfahren immer als gewisse Sportart, immer durch Männer dominiert hervorgehoben. Und das wollte sie einfach umgehen und hat gesagt Ja, da muss doch was gemacht werden. Und hat sich dann mit der Pınar Pinzuti zusammengetan und die haben gesagt „Nein, wir möchten nicht noch länger hinter den Männern herfahren. Wir haben einfach später erst das Fahrradfahren gelernt. Heißt aber nicht, dass wir nur diesen sportlichen Wettbewerb sehen beim Fahrradfahren, sondern auch im Alltag und mit ganz normaler Kleidung im Alltag Fahrrad fahren möchten: zur Schule, zur Arbeit oder einfach mal um Freunde zu treffen“. Und daher kam die Idee “fancy women” in Alltagskleidung, nicht im Sportrust, das aus dem Wettbewerbsbereich rauszunehmen, das Fahrradfahren. Und so ist das einfach entstanden.

Veronica: Das hört sich spannend an. Wie kam es denn dazu, dass du den FWBR bei dir im Bergneustadt durchführen wolltest? Hast du ein aktives Bedürfnis gesehen, oder gar einen persönlichen Bezug dazu gehabt?

Arzu: Bergneustadt ist natürlich auch aufgrund der Topografie und der Geografie nicht prädestiniert fürs Fahrradfahren unbedingt. Es gibt natürlich Möglichkeiten. Wir haben einen ganz schönen Fahrradweg, wo wir mittlerweile Fahrradfahren können. Aber das war nicht immer so. Hinzu kommt, dass aus gewissen Kreisen Frauen immer noch kein Fahrradfahren können bzw. Sie haben es gelernt. Ich bin mit diesen Frauen als Kind immer Fahrrad gefahren, aber später hat sich das einfach nicht mehr verfestigt und sie kamen so aus der Übung. Und da habe ich gedacht, „Mensch, das wäre doch noch mal eine Möglichkeit, darauf hinzuweisen und das durch ein Event in diesem Format noch mal zu untermauern!“.

Veronica: Sehr schön. Wie wurde das Projekt vor Ort angenommen? Also wie lief der Tag ab? Wie viele Teilnehmende hattet ihr denn dann tatsächlich an dem „Fancy Woman Bike Ride Tag“?

Arzu: Ja, der Tag war sehr spannend. Wir haben alle darauf hinaus gearbeitet und haben an dem Tag aber feststellen müssen das Wetter macht nicht mit. Und das ist natürlich das Besondere. Man kann das nie vorhersagen, wie es wird, aber es war wirklich durchregnet, eigentlich noch mal ein Grund gewesen zu überlegen, Führen wir das wirklich durch oder nicht? Und ich muss sagen, ich habe unheimlich viel Zuspruch aus meinem Umfeld bekommen, das nicht abzusagen, die Veranstaltung.. und insofern ja, trotz des Regens „Regen ist Segen!“: das war unser Motto. Und wir haben gesagt beim Fahrradfahren gibt es kein schlechtes Wetter, es gibt nur schlechte Kleidung. Unter diesem Aspekt haben wir uns zusammengetroffen. Und anfangs habe ich gedacht Na ja, wenn die engsten Freunde kommen, bin ich wirklich froh, wenn wir so zehn Personen sind. Und letztendlich waren wir 50 Personen und das ist wirklich klasse gewesen. Das war wirklich großartig. Und ich danke jeden einzelnen, der an diesem Tag wirklich mit uns zusammen geradelt ist. Und es ist keine Selbstverständlichkeit, aber es verdeutlicht uns, wie vielen Menschen das Thema eine Bedeutung darstellt.

Veronica: Im Vorfeld eures „Fancy Women Bike Ride“ hast du ja auch Trainings organisiert mit der Initiative „Fahrrad Frau Freiheit“. War es euch ein Anliegen, ein Trainings Angebot für erwachsene Frauen, die eben aus den unterschiedlichsten Gründen das Fahrradfahren nie lernen konnten, oder auffrischen mussten, zu erreichen? Wie habt ihr diese Frauen denn erreicht und woher kam das Bedürfnis dazu?

Arzu: Das ist total spannend. Wir haben uns mit meiner Mitstreiterin Basak Yilmaz zusammengesetzt und wir beide haben uns kennengelernt im Projekt „Unperfekt“, das ich initiiert hatte zu Beginn der Corona Zeit, weil doch zu Beginn sehr viel Ungewissheit herrschte und die Menschen sehr verunsichert waren. Und so sind wir mit Basak Yilmaz zusammengekommen und haben gedacht, wir müssen was unternehmen. Und daraus ist dann die Idee entstanden Lass uns doch mal „fancy Woman“ mal gemeinsan machen. Vielleicht geht das, vor allem Basak kommt aus einer anderen Zielgruppe. Sie ist einige Jahre jünger als ich und spricht natürlich dadurch auch eine andere Zielgruppe aufgrund ihres Alters und auch ihren soziokulturellen Hintergrund. Und das war noch mal sehr interessant, weil es sollte ja auch ein vielfältiges Frauenbild hergeben und nicht ein Stereotyp an Frauen. Und später, als wir das Projekt schon fest auf den Beinen gestellt hatten, kam unsere Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Bergneustadt und das hat noch mal einen ganz anderen Blickwinkel in das Projekt reingebracht. Also es ist  eine Bereicherung, dass wir wirklich Frauen aus unterschiedlichen soziokulturellen Gruppierungen haben. Und dann haben wir ganz schnell festgestellt, wir möchten zwar „Fancy Women Bike Ride“  durchführen, aber wenn wir uns jetzt unsere Zielgruppe angucken, gibt es noch sehr viele Frauen, die unsicher sind beim Fahrradfahren, oder noch nicht gelernt haben das Fahrradfahren. Und dann haben wir gedacht, da müsste mal ein Projekt dafür erst mal vor starten, bevor wir überhaupt das „Fancy Women Bike Ride“ durchführen können.

Veronica: Wie liefen dann diese Trainings ab? Ich erinnere mich noch in meiner Schulzeit habe ich da mit dem Fahrrad Führerschein gemacht. Es lief bei uns auf dem Schulhof und dadurch ist es irgendwie ganz automatisch dazu gekommen, dass man ja gewisse Ängste ablegen konnte. Wie habt ihr diese Trainings bei euch durchgeführt?

Arzu: Genau. Also geplant haben wir das auch sehr strukturell und nach Projektmanagement, so wie sich das alles gehört und alles auf dem Papier mit Anmeldungen. Das war der Wunschgedanke. So, wir standen aber da und hatten gar keine Anmeldungen. Und dann fiel mir ein Ja, wir müssen die Zielgruppe ganz anders ansprechen. Das ist, wir haben klassischerweise aus unserer Perspektive gedacht, wie man sich für ein Seminar, oder für einen Kurs anmeldet bei der Volkshochschule. Aber unsere Zielgruppe ist es nicht gewohnt und sie brauchen eine direkte Ansprache. Also haben wir das Ganze umgeändert und haben gewisse Frauen, die wir aus unserem privaten Umfeld kannten, persönlich angesprochen. Die haben uns zwar zugesagt, dass sie kommen würden. Aber an dem Treffpunkt haben wir erst um 14:00 gestanden und es war fünf nach zwei und es kam immer noch keiner. Und dann trudelten die aber aus allen Ecken heraus und das hat uns umso mehr motiviert. Und sie haben sich die Fahrräder geschnappt, bei der Stadt Bergneustadt; und sind den Berg hochgefahren, mit dem Fahrrad geschoben. Sie konnten ja damals noch die Fahrräder nicht fahren. Sie haben die Fahrräder geschoben. Berg hoch. Und das war ganz toll. Wir hatten um die 15 Teilnehmerinnen.

Veronica: Toll. Und wie häufig liefen die Trainings ab? War das so ein einmaliges Event, oder habt ihr in einer Reihe gemacht?

Arzu: Wir haben uns am sechs Samstage getroffen. Und das war natürlich, zeitlich mussten wir gucken, dass das auch für uns leistbar ist im Ehrenamt. Wir hätten natürlich noch mehr Termine anbieten können, was wir auch im Anschluss noch mal. Wir haben noch mal zwei Termine draufgelegt. Letztendlich waren es acht Samstage und wir haben uns für etwa zwei Stunden immer getroffen. Und wenn man sich das so klassisch vorstellt, wie wir das Fahrradfahren gelernt haben, mit Fahrrad-Führerschein, so haben wir das eigentlich auch gedacht. Wir laden die Polizei ein und machen dann eine Einheit zum Thema Straßenverkehr oder andere Aspekte. Das hat aber so in dem Maße nicht funktioniert. Wir hatten aber als Mitstreiter den deutschen Fahrer Allgemeinen Deutschen Fahrrad Club und sie haben uns auch begleitet, sodass wir technisch schon mal ausgestattet waren, unterstützt durch den ADFC und wir hatten unsere Fahrrad Engel in Kooperation mit dem Wüllenweber-Gymnasium. Das war uns auch sehr wichtig, um jungen Menschen noch mal für soziales Engagement zu begeistern und natürlich auch zwei Techniker, die uns auch ehrenamtlich geholfen haben, die Pedale abzumontieren oder Reifen zu aufzupumpen oder andere Gegebenheiten, die erforderlich waren. Vom Inhaltlichen her war das total spannend, weil es war nicht nur ein Seminar, wo man das Fahrradfahren lernt, sondern wo man einfach Samstag sich getroffen hat und über alltägliche Sachen auch gesprochen hat. Wo Frauen einfach Raum gefunden haben, um untereinander in den Austausch zu kommen. Und viele haben auch Freundschaften geschlossen untereinander, so dass sie auch gemeinsam mit dem Fahrrad jetzt einkaufen fahren, oder kurze Fahrradtouren unternehmen.

Veronica: Toll. Kannst du dir vorstellen, dass die Initiative weitere Trainings anbietet, oder wie möchtet ihr da weiter fortfahren? Oder war es so ein einmaliges Vorbereitungsevent zum Bike Ride?

Arzu: Eigentlich war das nur angedacht, dass das ein einmaliges Event ist, aber wir haben gemerkt, da ist so viel Leidenschaft dahinter und so viele Nachfrage, was jetzt sich erst gerade in der Gesellschaft rumgesprochen hat. Gerade waren wir mal mit unserer siebten Einheit fertig, und dann kamen Anrufe und dass sie noch mal sich anmelden wollten mit einer weiteren Freundin und dann haben gesagt Ja, aber die Kurse sind zu Ende. Also es war ein Modellprojekt, was wir mit Sicherheit fortführen werden. Wir müssen einfach nur gucken, dass das auch im Rahmen des Machbaren bleibt.

Veronica: Ja, da sind wir auch schon bei dem Thema vielfältige Perspektiven mit einbeziehen und du hast davon gesprochen, dass das gut ankam. Deiner Meinung nach werden denn ausreichend vielfältige Perspektiven bei der Gestaltung Öffentlicher Verkehrsräume mitgedacht? Gibt es genügend Angebote wie zum Beispiel dein Fahrrad Training, das wir ja aus dem Ehrenamts Kontext heraus organisiert habt? Oder gibt es da noch Potenzial Vielfalt besser mitzudenken?

Arzu: Wenn man sich die gesamte gesellschaftliche Gegebenheit anguckt, ist da noch sehr viel Potenzial. Ja, wir haben Menschen mit Beeinträchtigungen. Wir haben ältere Menschen, die auf Rollatoren angewiesen sind, oder Frauen mit Kindern, die mit anderen Gegebenheiten unterwegs sind mit dem Fahrrad. Und da muss noch einiges getan werden, da ist noch Luft nach oben. Wir können natürlich nicht alles auf einmal gestalten. Aber wir können uns jedes Mal diese Themen ins Bewusstsein rücken und dass wir daran arbeiten müssen. Und darum geht es letztendlich. Und man darf einfach nicht vergessen: Wir sind im ländlichen Raum natürlich auch etwas eingeschränkt, was Ressourcen angeht. Und ein ganz tolles Beispiel war die Eröffnung unserer E-Bike Station. Ich habe mich unheimlich gefreut. Ich habe selber kein E-Bike und ich habe ein „Biobike“. Und als ich die Fahrräder gesehen habe, habe ich mir gedacht Moment mal, die Fahrräder sind alle in einer Einheitsgröße, wir Menschen sind aber nicht einheitlich, wir sind so vielfältig. Und zu meinem Entsetzen hatten die Fahrräder noch nicht mal einen Gepäckträger Bügel, wo ich meinen Einkauf noch nicht mal mittransportieren kann. Und da wurde noch mal sehr, sehr bewusst, dass Fahrradfahren wird überwiegend durch Männern – ich bin jetzt ganz mal forsch - die gar nicht so diesen alltäglichen Nutzen sehen, sondern vielleicht Fahrradfahren nur als sportliche Betätigung wahrnehmen. Und das ist es definitiv nicht. Und ich denke, diese Vielfalt muss sich auch da widerspiegeln, bei der Umgestaltung, bei der Gestaltung der Verkehrswende.

Veronica: Da sind wir auch schon bei dem Punkt angelangt, wo ich dich fragen würde: Was würdest du anderen Menschen raten, die jetzt unseren Podcast heute hören und engagiert sind? Oder in einer Initiative aktiv, in einer Gemeinde leben, wo sie sagen „Wow, das was Arzu macht, das kann ich mir auch gut vorstellen bei uns umzusetzen“. Wenn ich jetzt in meiner Heimatstadt Erkrath den „Fancy Women Bike Ride“ einführen wollen würde, wie kann ich das machen? Oder was würdest du mir raten, wenn ich ein ähnliches Fahrrad Training sozusagen umsetzen möchte?

Arzu: Schmück dein Fahrrad, steig aufs Fahrrad und tritt die Pedale, los Pedale los. Und versuch wirklich, alle Menschen um dich herum zu begeistern. Man achtet oder hegt und pflegt natürlich das, was man gerne hat. Man gestaltet sein Haus, sein Garten, sein Auto, sich selbst. Und genau wichtig ist, dass man wirklich selber Freude hat am Fahrradfahren. Und wenn das gegeben ist, an steckt andere Menschen natürlich mit an. Und man kann sich natürlich an gegebene lokale Vereine, Vereinigungen oder Frauengruppen wenden und da versuchen, das Thema heranzutreten. Man muss nicht das Rad neu erfinden und da gibt es auch ganz viele Initiativen deutschlandweit und an die kann man sich ja anschließen.

Veronica: Dann noch: wenn du an deiner schönsten Erlebnisse während deines Engagements mit dem „Fancy Women Bike Ride“ oder bei „Fahrrad Frau Freiheit“ denkst, gibt es da ein Erlebnis, das dich wirklich nachhaltig zum Strahlen bringt?

Arzu: Es gibt viele Erlebnisse, es ist nicht das eine. Es ist natürlich, die Freude bei den Frauen zu sehen, die es nach anfänglichen zögerlichen Verhalten wirklich geschafft haben, Fahrrad zu fahren, finde ich das ganz toll. Und jedes Mal, wenn ich eine dieser Frauen auf der Straße treffe, die auf dem Fahrrad sind und lächelnd mich angucken, oder mir zuwinken, dann ist die Freude natürlich sehr, sehr groß. Und es ist, wie gesagt, es gibt ganz, ganz viele kleinere Gegebenheiten, auf die ich mich unheimlich freue beim Fahrradfahren, und Begegnungen: es ist einfach die Freude, Menschen wirklich ein Stück in ihre Mobilität helfen zu können.

Veronica: Vielen Dank, liebe Arzu, das war super spannend und anregend und ich bin ganz begeistert davon, dass ich jetzt meine alltägliche Fortbewegung mit dem Rad mehr wertschätzen werde und die Perspektivenvielfalt mit in den Blick nehme, wenn ich an den Wandel und die lokale Verkehrswende denke.
Wer mehr Infos zum Projekt „Fancy Women Bike Ride“ und der Initiative „Fahrrad Frau Freiheit“ aus Bergneustadt möchte, findet die Links dazu in den Shownotes. Diese Folge wurde produziert von der Heinrich Böll Stiftung Nordrhein-Westfalen.

Outro: Das war ein Podcast in der Reihe Böll Regional. 

Wenn ihr mehr hören wollt, könnt ihr Böll.Regional und alle weiteren Podcasts der Heinrich-Böll-Stiftung auf der Podcast-Plattform eurer Wahl abonnieren. Für Fragen oder Anregungen, schreibt uns einfach an podcast@boell.de

Für heute sage ich vielen Dank fürs Zuhören und bis zum nächsten Mal