Feministische Finanzpolitik - Anna Peters von Fiscal Feminist Hub e.V.

Podcast

In Folge 6 von Jung & Aktiv ist Anna Peters bei Host Bianca zu Gast. Anna ist Vorstandsvorsitzende des Fiscal Feminist Hub e.V. Der Verein setzt sich für mehr Geschlechtergerechtigkeit in der europäischen Finanzpolitik ein.

Lesedauer: 21 Minuten
Anna Peters auf pinken Hintergrund, daneben Titel und Zahl 6

Anna tritt bei der diesjährigen Europawahl für die Grünen an und wird von der Initiative JoinPolitics unterstützt. Was es damit auf sich hat, hast du bereits in Episode 5 erfahren. 

Anna berichtet im Podcast, wie sie ihren Weg vom Studium in die Politik gefunden hat. Außerdem erzählt sie dir von ihren Beweggründen sich für Diversity und Genderequality einzusetzen. Darüber hinaus erfährst du, warum der Ausbau von Ganztagsschulen feministisch ist und warum wir nach Annas Meinung mit Gendergerechtigkeit dem Fachkräftemangel entgegenwirken können.

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Fiscal Feminist Hub im Web:

https://fiscalfeministhub.eu/

Anna Peters bei Instagram:

https://www.instagram.com/annarmpeters/

 

Transkript

Bianca Dietz: Hallo. Schön, dass ihr wieder dabei seid. Mein Name ist Bianca Dietz und ich treffe in diesem Podcast wöchentlich spannende junge Menschen, die etwas bewegen wollen und in den unterschiedlichsten Bereichen Projekte gestartet haben. Heute habe ich Anna Peters zu Gast. Anna hat den Fiskal Feminist Hub gegründet und tritt bei der diesjährigen Europawahl für die Grünen an. Auf ihrem Weg wird sie von der Initiative JoinPolitics unterstützt. Über JoinPolitics könnt ihr in der Folge mit Bettina Metze mehr erfahren. Anna und ich sprechen heute vor allem über den Fiscal Feminist Hub und warum eine europaweite feministische Finanzpolitik so wichtig ist. Hi Anna, schön, dass du da bist. 

Anna Peters: Hallo. Ich freue mich sehr, da zu sein. 

Bianca Dietz: Magst du dich und den Fiscal Feminist Hub vielleicht mal kurz vorstellen? 

Anna Peters: Ja, ich bin Anna und gerade noch 27, kurz nach der Wahl werde ich dann 28 und Bin dann leider auch nicht mehr Grüne Jugend Mitglied, weil es bei uns da eine sehr klare Grenze gibt. Aber darum soll es nicht gehen. Ich war Bundessprecherin der Grünen Jugend während der Corona Zeit und bin dann wieder zurückgezogen nach Baden-Württemberg und habe da auch viel frauenpolitische Sachen gemacht bei den Grünen, Baden-Württemberg und auch VWL, also Volkswirtschaftslehre studiert. Und während meines Studiums habe ich immer wieder gemerkt, dass eigentlich die Perspektive von Frauen und Feminist*innen im Bereich der VWL überhaupt nichts verloren hat und auch gar nicht mitgedacht wird in den ökonomischen Modellen. Und das hat mich unheimlich auf die Palme gebracht. Ich kann mich noch an Seminare erinnern im Bereich Arbeitsmarktökonomie. Und dann haben wir danach in der Mensa diskutiert, mit Freund*innen und Kommiliton*innen. Wir haben gesagt Aber die Carearbeit wurde nicht berechnet, die Sorgearbeit wurde vergessen. Was ist eigentlich mit dem Thema Eheverträge und wie Frauen finanziell abhängig werden? Und kann mich noch an unheimlich viele tolle Diskussionen dazu erinnern in der Mensa. Und dann hatte ich die Chance, mich bei JoinPolitics zu bewerben, weil immer mehr in meinen Kopf gekommen ist, dass feministische Forderungen in der Ökonomie noch gar nicht beachtet werden und auch in den Modellen vergessen werden. Und habe mich dann eben bei JohnPolitics darauf beworben, herauszufinden, was feministische Finanzpolitik ist, weil man das ja erst mal so einen vielleicht so einen Unwohlgefühl hat, wenn man immer wieder an Grenzen stößt und merkt, die Finanzpolitik beachtet uns noch nicht. Aber dann wirklich zu finden, was die Lösungen sind, dauert dann ja auch seine Weile. Und deswegen haben wir uns gegründet. Wir sind ein Team aus über 20 Ökonom*innen und Aktivist*innen und Kampagner*innen und haben uns letztes Jahr im August gegründet und waren jetzt auf Europatour. Wir waren in fünf europäischen Ländern in Polen, Ungarn, Italien, Spanien und Griechenland und haben uns da mit Verbänden, Vereinen und Expert*innen darüber unterhalten, ob EU Geld ankommt oder nicht. Und Spoiler Es kommt fast nirgendwo an in den feministischen Kämpfen, was die EU ändern muss. Und dann haben wir uns auch noch mit Ökonom*innen, Expert*innen einer Philosophie Professorin und ganz unterschiedlichen Expert*innen darüber unterhalten, was in der EU, ja Gesetzgebung sich noch ändern muss, dass die Ökonomie auch die feministischen Themen auf dem Schirm hat. Und genau das war so unsere Reise seit letztem Jahr und wir sind jetzt mittendrin und haben unseren ersten Forderungskatalog auch veröffentlicht im April.

Bianca Dietz: Was steht denn da drin? Zu welchen Forderungen hat das geführt, was ihr da gemacht habt? 

Anna Peters: Genau, Wir haben es ein bisschen aufgeteilt. Also einmal den ersten Teil, wo wir sehr, sehr tief in die inhaltliche Arbeit reingegangen sind und wirklich geguckt haben mit Expert*innen zusammen. Wie können wir im Bereich Steuergerechtigkeit, im Bereich Transformation der Wirtschaft hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft im Bereich gute Arbeit für alle und im Bereich Gender Budgeting. Wie können wir da eigentlich die feministischen Forderungen voranbringen? Und da haben wir jeweils fünf Forderungen pro Schwerpunkt mit Expert*innen zusammen erarbeitet. Und im zweiten Teil geht es dann eben über die Länderforderungen, also die fünf Länder, die ich genannt habe und das ist total breit gestreut. Also da geht es um zum Beispiel Finanzierung von Frauenprojekten, von Gewaltschutz. Da geht es aber auch um eine wehrhafte und lebhafte Demokratie, um Antikorruption, um Anti Mafia. Also ich könnte euch alle 40 Forderungen vorlesen, aber ich glaube, es lohnt sich rein zu gucken, weil es auch ein bisschen gerade in dem Länderteil die Vielfalt zeigt, die eben auch eine Europäische Union ausmacht. 

Bianca Dietz: Mit dem Gründer von FiscalFuture, Carl Mühlbach habe ich, habe ich auch schon über die Auswirkungen von gerechter bzw. ungerechter Finanzpolitik gesprochen. Er steht ja sehr dafür, dass die Finanzpolitik eine wahnsinnige Auswirkung auf unsere Demokratie hat und dass die auch im Zusammenhang mit dem gesellschaftlichen Rechtsruck steht. Das kann man sich ja auch ganz gut vorstellen. Jetzt habt ihr noch diesen feministischen Aspekt drin, also warum hast du ja vorher schon ein bisschen angesprochen. Aber warum muss Finanzpolitik nicht nur gerecht, sondern auch feministisch sein? 

Anna Peters: Ja, erst mal lustige Hintergrundinfos Carl und ich kenne uns, weil wir zusammen studiert haben, also kennen uns aus Heidelberg und ich bin auch sehr großer FiscalFuture Fan. Genau. Warum wir aber auch noch mal überzeugt sind, dass die feministische Linse oder Brille gebraucht wird, ist, weil am Ende Geld bei der Bevölkerung nicht ankommt. Ich weiß nicht, was Carl zu der Frage gesagt hat, aber ich finde es essenziell, dass wenn wir jetzt auch am 9. Juni das neue Europäische Parlament wählen und Vertreter*innen und Vertreter für uns da drin sitzen, aber wir alle irgendwie nicht spüren, wo die EU unser Leben zu einem besseren macht. Und dass Sparmaßnahmen oder auch fehlende Investitionspolitik, egal ob von der europäischen Ebene, von der Bundesebene oder von der lokalen oder regionalen Ebene führt auch meiner Meinung nach dazu, dass Menschen immer mehr denken okay, was bringt mir jetzt Parlament XY und was kann ich auch? Wie kann ich auch als Person davon profitieren? Und ich bin davon überzeugt, dass Finanzpolitik zurzeit unheimlich kompliziert und abgehoben wirkt und Haushalts und Finanzpolitik total unverständlich ist für die Menschen, die hier vor Ort einfach krasse Arbeit leisten. Also die Sozialarbeiterin in einem Frauenhaus oder in einem Gewaltschutzzentrum muss ellenlange Anträge stellen über den Daphne Fonds oder den Europäischen Sozialfonds, um am Ende dann ein Projekt bewilligt zu bekommen, das EU Mittel bekommt. Die ist nicht ausgebildet im Bereich BWL und muss trotzdem unheimlich viele Hürden durchgehen, bis sie überhaupt dann Geld für ihr Projekt im Frauenhaus oder Gewaltschutzzentrum bekommt. Und das frustriert unheimlich. Und das hindert auch die gute Arbeit vor Ort. Und ich glaube, wenn wir wollen, dass die Europäische Union wieder näher an den Menschen ist, die hier vor Ort einfach Krasses leisten und die auch zu einer funktionierenden Demokratie und einer wehrhaften Demokratie beitragen, dann müssen wir Verfahren vereinfachen für Verbände und Vereine. Dann müssen wir unsere Ziele und Prioritäten auch in den Förderungen verändern. Und dann müssen wir den Leuten wirklich beweisen: Die EU sieht die Zivilgesellschaft und die EU setzt sich ein für eine wehrhafte Zivilgesellschaft. Und wenn wir jetzt zum Beispiel noch mal nach Polen und Ungarn gucken, wo ich ja auch war, dann ist es mega wichtig, weil im Bereich feministische Gesundheitsversorgung in Polen zum Beispiel wir einen Verein getroffen haben, der Ehrenamtlich eigentlich die Arbeit macht, die pro Familia hier in Deutschland macht. Die machen Konfliktberatung im Bereich Schwangerschaften. Die geben Informationen raus, wie Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden können, weil in Polen Schwangerschaftsabbrüche ja nicht durch Ärztinnen und Ärzte durchgeführt werden. Das heißt, die informieren, wo man das machen kann, wo man Zugänge bekommt in Europa. Und trotzdem sind in Polen im letzten Jahr sieben Frauen gestorben, weil sie nicht rechtzeitig behandelt wurden. Und diese Arbeit, die diese drei Frauen aufgebaut haben von dem Verein, sollte meiner Meinung nach von der Europäischen Union auch finanziell unterstützt werden. Und wenn dann halt eine Regierung nicht die finanziellen Mittel bereitstellt, um Gesundheitsversorgung von allen Bürgerinnen und Bürgern zu garantieren, dann muss eben die EU auch mit Geld einspringen. Genauso in Ungarn. Da erleben wir Viktor Orban und wie er massiv das Land gegen die Wand fährt, wie er Rechtsstaatlichkeit aushöhlt Und die LGBTIQ*-Szene, aber auch die geflüchteten Helferinnen. Einfach nur noch ihre Arbeit machen können, weil sie Spenden von anderen Verbänden und Vereinen und auch aus anderen Ländern bekommen. Und es sind einfach so Dinge. Wenn wir an den europäischen Grundwerten festhalten wollen, müssen wir auch die Zivilgesellschaft vor Ort unterstützen, die vielleicht von den Regierungen ja nicht gesehen wird oder verhindert werden will von den Regierungen. 

Bianca Dietz: Ich gebe dir auf jeden Fall recht, dass Finanzpolitik jetzt nicht als das attraktivste Thema gilt oder eben schwer zu durchschauen ist. Aber im Endeffekt, wie du schon sagst, oder mit deinen wahnsinnig guten Beispielen, wie wichtig dieses Thema ist und dass man das einfach nicht wegschieben sollte, sondern dass es uns eigentlich alle angeht. Ich möchte mal auch ein bisschen in Bezug auf die EU, aber vielleicht auch auf Deutschland eingehen, auf den Fachkräftemangel. Also der ist ja in der öffentlichen Debatte super allgegenwärtig. Und gleichzeitig gibt es irgendwie auch Stimmen, die sagen na ja, wenn wir zu mehr Gleichberechtigung kämen, dann könnte dem auch entgegengewirkt werden. Wie hängen denn diese Bereiche zusammen? 

Anna Peters: Total stark. Es gibt ja Untersuchungen, die zeigen, dass viele Frauen eigentlich gerne 30 Stunden arbeiten würden, auch wenn sie Kinder haben, aber in der Teilzeitfalle gefangen sind. Und wir haben unheimlich viel Potenzial, gerade in Frauen. Wenn alle Frauen in Deutschland, die wollen genau die Zeit arbeiten könnten, die sie wollen würden, hätten wir unheimlich viel mehr Fachkräfte in unserem Land und die Stunden würden total gut ausgeglichen werden. Warum aber gerade diese Frauen, die in der Teilzeitfalle gefangen sind, dort gefangen sind, ist, weil unsere Infrastruktur so schlecht ausgebaut ist. Und mit Infrastruktur meine ich in dem Bereich Kitas, Ganztagsbetreuung an der Schule usw. und so fort. Das heißt, wenn wir das Thema Fachkräftemangel aus einer feministischen Perspektive beleuchten. Dann müssen wir eigentlich erst mal sagen Der Anspruch auf einen Kitaplatz, den alle haben, alle Familien, der muss wirklich garantiert werden. Und ein guter Kitaplatz bedeutet, dass er vor Ort ist, dass man nicht eine halbe Stunde/ Stunde fahren muss, dass die Öffnungszeiten besser werden und dass es wirklich kompatibel ist mit einem ausgeglicheneren Arbeitszeit und Familienzeit, die eine Familie eben hat. Und deswegen finde ich es essenziell, da eben zu sagen Investitionen in Kita und Ausbau von Ganztagsschulen ist feministisch, weil dann die Frauen auch rauskommen aus der Teilzeitfalle. Und dann kommt ja auch noch ein riesiges weiteres Thema. Das Thema: Wie viel ist eigentlich Vollzeit in einer Familie, die junge Kinder haben? Und sollte man da nicht die Debatte auch anstoßen, dass wir wegkommen müssen von einer 40 Stunden Woche bei zwei Elternteilen? Und könnte man nicht sagen Familienzeit ist beispielsweise, wenn man eine Familie mit zwei kleinen Kindern hat, ist vielleicht 30 Stunden das neue Vollzeitäquivalent. Für eine Familie mit kleinen Kindern finde ich unheimlich spannende Debatten, die wir so ja gerade noch gar nicht führen. 

Bianca Dietz: Ja, das finde ich auch spannend. Und vor allem finde ich aber auch, was du sagst mit Kitaausbau und Betreuung verbessern. Naja, da müsste man wahrscheinlich auch einfach die weiblich konnotierten Berufe verbessern und attraktiver machen. Besser bezahlen. Aber das hängt dir einfach alles fürchterlich zusammen. 

Anna Peters: Ja, genau. Und ich war jetzt gerade gestern bei einem Pflegepraktikum hier in einem Altenpflegeheim und Seniorenzentrum und da ging es eben um den Bereich Altenpflege. Aber es geht ja um alle Careberufe. Also egal ob ich jetzt da bin oder mit Erzieherinnen spreche oder Sozialarbeiterinnen im Frauenhaus, die sagen einerseits, wir brauchen Investitionen in unseren Beruf, dass das Personal da ist, weil es überall Personalmangel gibt. Und andererseits sagen die natürlich auch, dass sie sich auch freuen würden, wenn ihr Beruf aufgewertet wird, auch finanziell. Aber es ist so einen, das kann man von beiden Seiten beleuchten. Wenn es schlechte Bezahlung gibt, dann gibt es auch nicht so viel Personal, das nachrücken will. Und dann gibt es auch weniger Personal, das dann da ist. Also man muss den Beruf aufwerten, indem man mehr Geld reinsteckt und bessere Löhne zahlt, aber eben auch, in denen man mehr Personal pro Schicht gibt, damit die Personen in dem Beruf nicht mehr so ausbrennen. 

Bianca Dietz: Ich würde gern noch mal auf einen anderen Punkt zu sprechen kommen, was ich witzig finde Du hast am Anfang ja gesagt, du bist oder wirst bald 28 und aber eines der ersten Themen, die einen auf ihrer Website entgegensprengen, ist die Finanzkrise 2008. Und er sagt, dass das alles miteinander zusammenhängt. Bzw. Dass wir immer noch die Auswirkungen der Finanzkrise erleben. Kannst du das mal irgendwie ein bisschen zusammenfassen. 

Anna Peters: Ja, also ich selber war ja eher so jung noch während der Finanzkrise, also in meinen frühen Teeniejahren. Und trotzdem finde ich, in Deutschland spüren wir es natürlich nicht so krass wie jetzt in Südeuropa und in Südeuropa, in Griechenland, in Italien und in Spanien. Hat die Finanzkrise Auswirkungen, die man da noch beobachten kann? Also der Sozialstaat wurde in Griechenland massiv runtergekürzt, Renten wurden gekürzt, Ausgaben ins Gesundheitssystem wurden massiv gekürzt und alles, was eigentlich eine Zivilgesellschaft und auch eine Bevölkerung braucht, um gut zu leben, wurde in Griechenland während und nach der Finanzkrise gekürzt und oder gestrichen. Und wenn man sich das mal vorstellt, ist es ja unheimlich krass zu sehen, dass Renten gekürzt wurden, aber gleichzeitig alles teurer wurde in Griechenland und auch ganz lange ja Griechenland so in der Schwebe hing. Es gab die Debatte darüber, ob Griechenland nicht austreten soll aus der EU. Mittlerweile können wir es auch anders bewerten, aber da hat es total gebrodelt und gekocht und die Menschen haben nicht mehr gemerkt, dass die Europäische Union auch hinter ihnen steht und auch für sie einsteht, sondern dass die Sparmaßnahmen nach der Finanzkrise und nach der EU Finanzkrise dazu geführt haben, dass ihr Leben vor Ort schwieriger wird, sie weniger Geld zur Verfügung haben und ihre Gesundheitsinfrastruktur bröckelt. Und jetzt erleben wir in Griechenland, dass eine konservative Regierung immer mehr Law and Order Politik macht, immer weniger Sozialpolitik macht und die Mieten zum Beispiel in Griechenland massiv in die Höhe gingen. Egal wo wir gesprochen haben in Griechenland, egal mit welchen Vereinen oder Verbänden wir uns getroffen haben, Jeder hat uns auf das Thema Mieten angesprochen. Ausländische Investoren investieren gerade massiv in Athen, um große Luxushotels zu bauen. Airbnb ist da ganz groß, aber die Mieten werden immer teurer. Und die Sozialausgaben steigen nicht mit. Und ja, die Leute merken halt einfach, dass es immer schwieriger wird, sich das alltägliche Leben zu leisten. Und das sind immer noch Auswirkungen von damals und vor allem Auswirkungen dadurch, dass es keine florierende Wirtschaft gibt, die sozusagen selbstbestimmt entscheiden kann. Wir lassen nicht zu, dass unsere Athener Innenstadt aufgekauft wird von ausländischen Investoren. Privatisierung wird immer weiter voran kommen und das ist, glaube ich, aktuell noch die größte Auswirkung, die wir sehen. Dass die Menschen sich die Mieten in Athen nicht mehr leisten können. 

Bianca Dietz: Ein Punkt, um so ein bisschen zu eurem Forderungskatalog zurückzukommen, ist ja da auch die Steuergerechtigkeit. Du hast dich jetzt sehr auf Griechenland bezogen, aber im Endeffekt stimmt das ja für, würde ich mal sagen, alle europäischen Länder, dass nicht zwingend das Problem ist, dass gar kein Geld da wäre, sondern dass man eher bei den Sozialleistungen kürzt. Und da gäbe es ja eigentlich schon auch ein paar Punkte, wo man ansetzen könnte. Also es gibt leider in Europa das Problem, dass viele Länder Superreiche mit niedrigen Steuersätzen anlocken. Und welche Änderungen fordert ihr hier?

Anna Peters: Ja, also ganz viele. Wir gehen beispielsweise auf eine Finanztransaktionssteuer ein, also eine Steuer, die Finanztransaktionen besteuern würde. Es ist nämlich so, dass wir alle ja eine Mehrwertsteuer zahlen, wenn wir zum Bäcker gehen und eine Brezel kaufen. Also jeder Einkauf von Konsument*innen wird besteuert. Aber Finanztransaktionen im digitalen Raum noch so ein bisschen so ein Markt sind, der meiner Meinung nach so ein bisschen zu unbeobachtet ist und wo man natürlich total gut Steuern auf solche Transaktionen ja entwickeln könnte oder einführen könnte. Es gibt aber zwei weitere Dinge, und zwar einmal das Thema Digitalkonzerne, also Apple, Meta, Google und Co, die gerade einfach so ein bisschen tricksen in der Europäischen Union und die ihre Gewinne zwar hier einfahren, aber nicht angemessen besteuert wurden. Und ich kann mal ein Beispiel geben, weil das vielleicht gerade noch ein bisschen abstrakt klingt. Es gab einen Fall, da sollte Apple 11 Milliarden € an die irische Staatskasse zahlen. Und es war ein Prozess, den dann die europäische Kommissarin für Wettbewerb, Vestager, gestartet hat gegen Apple, also eine Klage gegen Apfel. Und diese 11 Milliarden € stehen eigentlich der irischen Staatskasse zu. Aber dieser Fall wurde verloren, weil unser europäisches Steuerrecht einfach noch nicht so gut ist. Also es klappt, dass Apple sich raus trickst und es klappt, dass Apple durch natürlich eine Maschinerie an guten Anwältinnen und Anwälten, dann diese 11 Milliarden € nicht zahlen muss, an Steuerabgaben, die eigentlich Irland zustehen würden. Und ich finde, das zeigt einfach, wie krass multinationale Konzerne in den letzten Jahren an Gewicht und auch Einfluss gewonnen haben und unser Steuerrecht einfach nicht mitgewachsen ist. Also die sind schneller gewachsen, sie sind schneller, größer geworden und die konnten schneller sich immer weiterentwickeln und auch unser Steuersystem ein bisschen austricksen. Und da müssen wir jetzt hinterherziehen. Und Digitalkonzernesteuer von 15 % würde in der Europäischen Union ein Steuereinkommen von 68 Milliarden € pro Jahr für die EU Mitgliedsstaaten bedeuten. Also richtig, richtig viel Geld, das dann wieder in die nationalen Haushalte in der Europäischen Union fließen könnte. Und für Deutschland wäre das zum Beispiel eine ausfinanzierte Kindergrundsicherung pro Jahr als Beispiel. Also das sind alles Möglichkeiten. Und dann noch das Thema Superreiche. Da geht es ja nicht um Personen, die wir alle kennen, die einfach nur ein Haus erben, sondern da geht es um die hohen hohen 0,1 % der absoluten Superreichen, die es halt auch schaffen, über Steueroasen ihr Geld da anzulegen, wo es am wenigsten besteuert wird. Und da wollen wir eben auch an die Super Rich Leute ran, die einfach komplett abgeschieden von unserer Gesellschaft leben und mit ihren Superjachten und krassen Immobilien machen eigentlich, was sie wollen. 

Bianca Dietz: Das ist jetzt wahrscheinlich ein komischer Zeitpunkt der Frage, so kurz vor den Wahlen. Aber hast du das Gefühl, dass ein bisschen Bewegung da drin ist oder wird da in der EU hauptsächlich geblockt? 

Anna Peters: Also beim Thema Digitalkonzerne Steuer bin ich total positiv gestimmt und ich glaube auch, dass es kommen wird, weil Vestager nicht eine Grüne ist. Vestager ist eine Liberale und hat da als Wettbewerbskommissarin schon was angestoßen. Und es zeigt ja eigentlich, dass es eine Wettbewerbsverzerrung ist, wenn die kleinen und mittelständischen und „normalen Unternehmen“ brav ihre Steuern zahlen. Aber die großen Riesigen nicht. Also im Grunde geht es da um eine Angleichung an Wettbewerb oder Wettbewerb wieder gerechter zu machen. Und mir hat auch ein CDUler jetzt vor kurzem auf einem Podium zugestimmt, dass es mega ungerecht ist und dass da was besser werden muss. Und wir haben ja in Deutschland den Beschluss im Deutschen Bundestag letzten Herbst gehabt, diesen Mindeststeuersatz von 15 % in Deutschland umzusetzen. Also ich glaube, das ist in Bewegung und es wird in den nächsten Jahren immer weiter kommen. Da muss man halt nur gucken, wie man Steuerschlupflöcher in der EU so stopft, dass es nicht 123 Länder gibt, die dann wieder Sonderregelungen haben. Da geht es eigentlich eher um eine Koordination der EU Steuerpolitik, dass sie überall gleich ist und damit keine Schlupflöcher mehr existieren. Da bin ich total positiv gestimmt. Bei anderen Sachen nicht so bei anderen Sachen. Muss man weiter politisch kämpfen im Bereich Steuergerechtigkeit.

Bianca Dietz: Ja, dann hoffen wir mal, dass das passiert. Sehr oft, so dass in der Debatte geht es dann, wie du es auch gerade schon angesprochen hast, um das Einfamilienhaus. Aber das ist halt am Ende des Tages überhaupt nicht der Punkt. Ja, aber noch mal, bevor wir schon wieder zum Ende kommen, weil die Zeit ist schon wieder sehr schnell vergangen, gibt es ja hier immer eine Frage, die ich all meinen Gäst*innen stelle. Und zwar geht es ja auch ein bisschen darum, selbst aktiv zu werden oder selbst sich ehrenamtlich zu engagieren. Und du machst das ja. Du hast jetzt ein bisschen von deinem Werdegang erzählt und hast ein Projekt gestartet, kandidierst jetzt sogar. Was würdest du denn Leuten raten, die gerne ehrenamtlich aktiv werden wollen? Oder welchen Tipp hättest du gerne schon früher mal bekommen? 

Anna Peters: Also ich bin damals mit 16 zur Grünen Jugend gekommen und die Grüne Jugend war für mich der Ort, wo ich sozusagen politisch auch gewachsen bin, unheimlich viel gelernt habe und genau wo ich erst mal unheimlich viele Vorbilder kennenlernen konnte, in ganz unterschiedlichen Bereichen. Also für mich ist die Grüne Jugend dann einfach der Ort gewesen, wo ich als 16-jährige hingekommen bin, weil ich die Welt so ungerecht fand und was gegen die Klimakrise machen wollte. Und dann habe ich gemeinsam mit unheimlich vielen tausenden jungen Menschen eben gelernt, Seminare, Wochenenden, Aktionen auf die Straße gebracht und konnte einfach super viel lernen und mitnehmen. Und ich glaube, mein einziger Tipp ist eigentlich, sich zu überlegen, was stört einen so massiv, dass man was dagegen machen möchte und sich dann ein Verband, ein Verein oder eine politische Jugendorganisation zu finden, die einfach genau dieses Thema beackern will. Bei mir war es mit 16 das Thema Klimakrise und dann war ganz klar, da muss ich zur Grünen Jugend. Wenn es bei euch ein anderes Thema ist, wo ihr sagt, da passt ein anderer Verein NGO auch total gut, zum Beispiel Seenotrettung kann man natürlich auch zur Seebrücke oder einem anderen zivilgesellschaftlichen Verein. Also guckt einfach, was euch am Herzen liegt und guckt, dass ihr Gleichgesinnte findet. Weil alleine kann diese Welt ganz schön frustrierend sein und auch ein großes Ohnmachtsgefühl einem geben, aber mit gleichgesinnten zusammen kämpfte sich besser und auch jetzt, dass ich diesen Verein aufbauen konnte zu feministischer Finanzpolitik. Also natürlich werde ich von JoinPolitics unterstützt und wir haben dann eine massive Förderung bekommen. Aber wenn ich diese Förderung alleine gekriegt hätte, was hätte es mir gebracht? Also ich konnte eben zusammen mit über 20 Ökonominnen und Aktivistinnen das jetzt aufbauen und wenn ich die nicht mit denen zusammen das machen würde, dann hätten wir nicht fünf Länder bereist. Dann hätten wir nicht einen 70 seitigen Katalog schreiben können und dann hätten wir nicht so coole Veranstaltungen organisieren können im letzten Jahr. Also sucht euch Gleichgesinnte, die genauso wütend sind wie ihr und startet was. Und manchmal kann dieses startet was ganz schön überfordernd sein. Bei mir auch. Wie viele unterschiedliche Ups and Downs es gibt. Er ist im Politischen immer so und ich glaube, man muss auch eine hohe Frustoleranz entwickeln, weil Dinge immer zu langsam laufen. Aber dran zu bleiben ist auch mega mega wichtig. 

Bianca Dietz: Ja, vielen Dank. Aber ja, wir haben auf jeden Fall glaube ich alle was zu tun. Und wenn jeder und jede schaut, was sie am meisten stört, dann glaube ich, können wir alle ganz gut anpacken und irgendwas tun. So wie du, Anna. Ich wünsche dir alles Liebe für die Europawahl. Ich wünsche dir ganz viel Durchhaltevermögen und bedanke mich, dass du dabei warst.

Anna Peters: Ja, danke dir. Hat Spaß gemacht. 

Bianca Dietz: Das war ein Podcast der Petra Kelly Stiftung. Wir sind das Bayerische Bildungswerk für Demokratie und Ökologie in der Heinrich Böll Stiftung. Wenn ihr mehr über unsere Arbeit erfahren wollt, dann schaut auf unserer Website vorbei www.petrakellystiftung.de oder auf Social Media unter @Kelly_Stiftung. Das war's für heute. Schön, dass ihr wieder eingeschalten habt. Und bis zum nächsten Mal.