Wie wählt man am 08. Oktober?
Am 8. Oktober wird in Bayern der nächste Landtag gewählt. Was wählt man genau mit Erst- und Zweitstimme? Und warum wird gleichzeitig für den Bezirkstag gewählt? Antworten auf die wichtigsten Fragen im Überblick. Ein Gespräch mit Margarete Bause.
Shownotes:
https://www.petrakellystiftung.de/de/landtagswahlen-bayern
https://www.bayern.landtag.de/abgeordnete/abgeordnete-von-a-z/
https://www.sueddeutsche.de/bayern/landtagswahl-bayern-termin-faq-ueberblick-1.5702949
https://www.sueddeutsche.de/bayern/landtagswahl-bayern-2023-parteien-ueberblick-1.6051810
https://www.blz.bayern.de/data/pdf/by_landtags-wahlbezirks-wahlen-2023_barrierefrei-0517-1334-07.pdf
https://www.bezirk-oberbayern.de/Der-Bezirk-Oberbayern/Wahlen/Wie-funktioniert-die-Bezirkstagswahl-/
Wahlomat: https://www.wahl-o-mat.de/bayern2023/app/main_app.html
Musik Credits:
"Surf Shimmy" Kevin MacLeod (incompetech.com)
Licensed under Creative Commons: By Attribution 3.0 License
http://creativecommons.org/licenses/by/3.0/
Transkript:
Carmen Romano: Servus und herzlich willkommen zu einer Sonderpodcastfolge der Petra-Kelly-Stiftung zu den kommenden Landtagswahlen.
Seit Ende August ist es möglich, sich für die Briefwahl eintragen zu lassen, sollte man am 08.Oktober nicht persönlich zum Wahllokal gehen können. Aber wofür wählen wir genau in Bayern? Was ist der Bezirkstag und was sind die Haupthürden der Wahlbeteiligung?
Wir gehen heute diesen und anderen Fragen nach und hoffen dabei, die Eine oder den Anderen zur Wahl motivieren zu können.
Ich bin Carmen Romano, eure Bildungsreferentin für Podcast und Videos der Petra-Kelly-Stiftung. Da ich erst vor vier Jahren eingebürgert wurde, darf ich zum ersten Mal mitwählen. Ich bin also persönlich extrem gespannt auf dieses Gespräch und freue mich, viel dabei zu lernen!
Heute haben wir wieder eine tolle Gästin: Margarete Bause. Sie ist nicht nur Teil des Vorstandes der Petra-Kelly-Stiftung, sie war vor allem zwischen 1986 und1990 und dann wieder zwischen 2003 und 2016 Mitglied des bayerischen Landtags und Fraktionsvorsitzende für Bündnis 90/Die Grünen. Ihr Arbeitsschwerpunkt lag in der Bildungs- und Integrationspolitik. Seit ihrem Ausscheiden aus dem Bundestag in 2021 engagiert sie sich bei Transparency International Deutschland und ist dort stellvertretende Vorsitzende. Außerdem arbeitet sie als Dozentin an der Münchner Volkshochschule.
Schön, dass du dir Zeit für uns genommen hast, liebe Margarete. Wollen wir als einführende Frage damit anfangen: Du warst ja, wie ich erzählt habe, jahrelang im Landtag. Was macht genau der Landtag und was sind die Hauptthemen und Zuständigkeiten, vielleicht auch im Vergleich zu der Bundespolitik?
Margarete Bause: Also, der Landtag entscheidet zunächst mal über Gesetze, die das alltägliche Leben der Menschen betreffen. Das fängt im Kindergarten an, geht bis hin zur Bestattungsverordnung, also das ganze Spektrum. Der Landtag wählt auch den bayerischen Ministerpräsidenten oder hoffentlich der mal eins, die bayerische Ministerpräsidentin. Er muss dem Kabinett zustimmen und ganz wichtig ist natürlich auch die Kontrolle der Regierungsarbeit. Das sollte eigentlich das Parlament insgesamt machen. Aber in der Praxis ist es natürlich an der Opposition, die Regierung zu kontrollieren. Da gibt's viele Möglichkeiten und, sagen wir, das schärfste Schwert der Opposition ist der Untersuchungsausschuss, wo man noch mal ganz andere Möglichkeiten hat, das Regierungshandeln unter die Lupe zu nehmen, zu kontrollieren. Das hat oft auch schon zum Zurücktreten von Ministern geführt. In dieser Legislaturperiode gab es tatsächlich eine ganze Reihe von Untersuchungsausschüssen. Der bekannteste ist vielleicht der zur Maskenaffäre und es gab auch noch einen zur Milliarden Verschwendung bei der S-Bahn Stammstrecke in München und so etwas wird natürlich insbesondere von der Opposition vorangetrieben.
Carmen Romano:: Ganz spannend und ganz in der Praxis, also wie man wählt, was ist genau der Unterschied zwischen Erst- und Zweit-Stimmen? Das haben wir auch bei der Bundestagswahl, aber bei der Landtagswahl: Wie funktioniert das? Es gibt so viele Listen und so viele Menschen auf den Zetteln.
Margarete Bause: Zunächst mal hat man zwei Stimmen wie bei der Bundestagswahl: die erste Stimme und die zweite Stimme. Mit der Erststimme wählt man den Direktkandidaten oder die Direktkandidatin im Stimmkreis, und mit der Zweitstimme wählt man eine Partei. Der Unterschied ist, dass man bei der Landtagswahl nicht einfach nur die Parteiliste mit der Zweitstimme ankreuzt, sondern auf dieser Parteiliste eine ganz konkrete Person, eine ganz konkrete Kandidatin oder Kandidaten ankreuzen kann, und das bedeutet, dass diese Kandidat*innen, wenn sie entsprechend viele persönliche Stimmen bekommen, ihren Platz auf der Liste verändern können. Also, die Liste ist nicht fest wie bei der Bundestagswahl: da entscheidet die Partei, wer ist auf Platz eins, wer ist auf Platz 15, und das ändert sich auch nicht durch die Wahl. Aber bei der Landtagswahl haben die Wählerinnen und Wähler nochmal eine zusätzliche Möglichkeit der Mitentscheidung, wer dann tatsächlich in den Landtag kommt. Das heißt, wer sehr viele persönliche Stimmen sammeln kann, kann seinen Platz auf der Parteiliste verbessern, wird nach oben gehäufelt oder aber eben auch nach hinten gehäufelt, und dadurch entscheiden die Wählerinnen und Wählern in sehr viel höherem Maße, welche Abgeordneten es tatsächlich dann in den Landtag schaffen.
Carmen Romano: Ganz spannend! Sicherheitshalber, wenn ich es richtig verstanden habe, heißt es, wenn man nur die Partei ankreuzt, bekommen eher die Stimmen die Ersten, die dann in der gesetzte Liste sind.
Margarete Bause: Genau, also man kann gar nicht die Partei ankreuzen, sondern man kreuzt dann, wenn man niemanden persönlich wählen will oder auch niemanden kennt,wählt man also, kreuzt man die erste Person an. Viele Leute gucken auch nach Berufen und sagen, ich hätte gerne eine Hebamme drin oder einen Biobauern oder jemand aus dem sozialen Bereich oder einen Handwerker. Also, da gibt es Möglichkeiten, dass man eben auch nach persönlichen Interessen nochmal sein Wahlverhalten ausrichtet und dann guckt, wen möchte ich gerne im Landtag drin haben. Und es gibt noch einen weiteren entscheidenden Unterschied zur Bundestagswahl. Bei der Bundestagswahl ist es ja so bei der Erststimme, die Entscheidet über den Direktkandidaten, Direktkandidatin, und die Stimmen für die unterlegenen Kandidaten zählen nicht mehr. Die zählen aber bei der Landtagswahl. Erstens zählen sie zum Gesamtergebnis, weil alle Erst- und Zweitstimmen zusammengezählt werden und dann das Ergebnis der Partei bestimmen. Und sie zählen auch zu den persönlichen Stimmen der einzelnen Kandidaten. Also, wenn ich in München kandidiere und in meinem Wahlkreis zwar nicht das Direktmandat habe, aber viele Stimmen als Erststimmen bekomme, dann habe ich schon mal ein Stimmen-Polster. Dann stehe ich auf der Liste und da gibt es auch viele Menschen, die mich ankreuzen, und beides wird zusammengezählt, und das ist mein persönliches Stimmen-Polster, und das entscheidet darüber, welche Rangfolge ich dann auf der endgültigen Liste habe, und das entscheidet darüber, ob ich in den Landtag einziehe. Selbst wenn ich vielleicht auf Platz 25 stehe, und es kommen nur 15 rein, kann es aber sein, dass ich so weit nach vorne gehäufelt werde, dass ich dann tatsächlich in den Landtag komme, weil ich viele Erststimmen habe und weil ich vielleicht entsprechend auch noch mal auf der Liste mit Zweitstimmen unterstützt werde.
Carmen Romano:: Das ist total spannend, wusste ich selber gar nicht, siehst Du?! Vielleicht eine gute Überleitung was du erzählt hast, dass man vielleicht ja wählt abhängig von dem Profil der Person, also Beruf oder sonstiges? Ist es so wie bei der Kommunalwahl, dass quasi der Beruf auf dem Wahlzettel neben dem Namen steht, oder wo kann ich mich informieren über die Personen, die dann auf den Listen sind?
Margarete Bause: Also, der Beruf steht tatsächlich neben dem Namen, aber mehr auch nicht, und es muss auch ein eingetragener Beruf sein. Also, es kann jetzt nicht ein Fantasieberuf sein, wo man sagt: Beraterin für dieses und jenes, sondern es muss natürlich auch ein anerkannter Beruf sein.Informieren kann ich mich natürlich auf den Webseiten der Parteien oder auch der Fraktionen. Also da ist viel, steht, wer kandidiert. Auch die einzelnen Kandidierenden haben ja alle auch einen Internet-Auftritt. Die sind auf den sozialen Medien, Kanälen, auf Instagram oder auf Twitter oder was auch immer. Es gibt natürlich auch viele Veranstaltungen vor Ort. Man sieht ja jetzt auch überall die Plakate im Stadtbild. Die Kandidierenden laden zu Veranstaltungen ein, zu Gesprächen, lernen mich kennen. Und es ist, glaube ich, schon gut, auch gerade wenn man sich vielleicht unsicher ist in der Wahlentscheidung: Wer kandidiert denn eigentlich in meinem Stimmkreis? Ich guck da einfach mal vorbei oder ich schreib mal eine E-Mail, wenn ich nicht die Zeit habe oder kein persönliches Gespräch suchen will. Viele sind auch auf der Straße präsent, machen Infostände, da kann ich die Leute auch ansprechen. Ich kann mich natürlich im Netz informieren und kann gucken: War der schon im Landtag? Was hat er da eigentlich gemacht? Wie hat er abgestimmt?Ees gibt viele Möglichkeiten zu einer informierten Wahl. Man kann sich natürlich auch noch mal das Parteiprogramm oder die Parteiprogramme durchlesen. Was kommt mir da am nächsten, was ist mir am wichtigsten? Es gibt auch einen sogenannten Wahl-O-Mat. Das ist eben eine unabhängige Organisation, die zu bestimmten Fragen die Parteiprogramme durcharbeitet und am Ende dann, wenn man die Fragen nach seinen eigenen Interessen beantwortet, hat man dann das Ergeben, tendiere ich jetzt eher zu den Grünen oder zur FDP oder zur CSU oder zu wem auch immer. Deswegen muss man noch nicht so wählen. Aber es gibt einmal so ein bisschen einen Überblick, man beschäftigt sich damit und liest dann vielleicht auch ein Bisschen mehr. Also, es gibt sehr, sehr viele Möglichkeiten, sich zu informieren zur Wahl, und ich kann allen nur raten:Sso eine Wahl ist einfach sehr wichtig - weil es entscheidet sich auch viel für das eigene persönliche Leben - sich erstens an der Wahl zu beteiligen und sich natürlich zweitens zu informieren, weil das ist einfach die Grundlage, damit unsere Demokratie auch funktionieren kann.
Carmen Romano: Ja übrigens, der Wahl-O-Mat wird am 13 September veröffentlicht. Den verlinken wir natürlich in den Shownotes dieses Podcasts, und wir verlinken auch, was du angesprochen hast, sollten Kandidat*innen bereits im Landtag tätig gewesen sein. Es gibt eine tolle Übersicht der jeweiligen Mandatsträger*innen auf der Webseite vom Landtag, und da kann man sich alles anschauen. Wunderbar.
Vielleicht zu einem anderen wichtigen politischen Organ, den wir auch am 08.10. mit wählen: und zwar den Bezirkstag. Was macht genau dieser Bezirkstag? Weil ich kenne einige Kandidierende, aber ich weiß noch nicht genau, mit welchen Themen beschäftigt sich der Bezirkstag?
Margarete Bause: Das ist ganz wichtig, weil das geht immer so ein bisschen unter. Landtag steht natürlich im Mittelpunkt und die meisten Menschen kennen das auch. Aber was ist eigentlich der Bezirkstag? Jetzt ist es so: Bayern ist in sieben Regierungsbezirke aufgeteilt. Wenn wir oben anfangen, da ist Unterfranken, dann ist Oberfranken, Mittelfranken, Oberpfalz, Niederbayern, Oberbayern, Schwaben, und in jedem dieser sieben Regierungsbezirke gibt es sozusagen auch nochmal einen Bezirkstag. Also, das ist das Parlament auf dieser Bezirksebene. Die haben jetzt nicht so viele Handlungsmöglichkeiten, auch nicht so viel Geld wie der Landtag insgesamt. Aber sie haben schon auch wichtige Themenfelder, gerade in der Gesundheitsversorgung, Unterstützung von Menschen mit Behinderung, auch in der psychiatrischen Versorgung, aber auch bei der Kultur, beim Umweltschutz.Es sind auch wichtige Themenbereiche, die dort verhandelt werden. Es gibt dort auch ein vergleichbar nicht schlechtes Budget, also, es gibt auch Geld dort. 90 Prozent werden in den Sozialbereich investiert. Es ist wichtig, ein bisschen unterhalb der Wahrnehmungsschwelle für viele. Aber ich finde es eben auch eine wichtige weitere Institution, wo Wählerinnen und Wähler die Möglichkeit haben, auch darüber zu entscheiden: Wie ist die Zusammensetzung dieser Bezirkstage? Und darüber natürlich auch: Wofür wird dann auch das Steuergeld aus?
Carmen Romano: Ja, und vielleicht für diejenigen, die das noch nicht wirklich auf dem Schirm haben, wenn ihr die Wahlplakate auf der Straße seht, gibt es mehrere mit zwei Personen Kandidierenden. Der eine ist eher für den Landtag und der andere für den Bezirkstag, für eure Stimmkreise und dadurch könnt ihr vielleicht auch checken, dass auch für den Bezirkstag gewählt wird.
Margarete Bause: genau, und das Wahlsystem ist genau das gleiche für die Landtagswahl, also funktioniert genauso mit Erststimme und mit Zweitstimmen, mit der Möglichkeit, jemanden vorzuholen auf der Liste, also, vom System her gibt es da keinen Unterschied
Carmen Romano: Du hast bereits einige Parteien erwähnt. Mich würde interessieren - natürlich nicht die gesamte Auflistung, weil das sind ziemlich viele normalerweise - aber wie wird entschieden, welche Parteien dann antreten dürfen? Gibt es regeln oder jemanden, der das entscheidet?
Margarete Bause: Ja, natürlich gibt es ganz klare Regeln, ganz klare Voraussetzungen, wer für eine Wahl antreten darf. Das ist ja auch wichtig in der Demokratie, dass das auch rechtlich alles geregelt ist. Also zunächst mal die Parteien, die schon im Landtag oder in einem anderen Parlament vertreten sind, die sind sozusagen automatisch drin, die können auch bei dieser Wahl dann wieder antreten. Andere Parteien, die sich vielleicht neu gründen oder die bisher nicht in einem Parlament vertreten sind, die müssen einen bestimmten Zulassungsprozess durchlaufen. Das heißt, zunächst mal muss man eine bestimmte Anzahl von Unterschriften sammeln, damit man zur Wahl zugelassen wird. Dann muss man natürlich in den jeweiligen Regierungsbezirken eine entsprechende Parteiliste aufstellen, Direktkandidierende aufstellen, und man muss das alles rechtlich überprüfbar bis zu einer bestimmten Frist einreichen. Wenn man diese Frist versäumt, hat man ein Problem, wird man nicht zugelassen zur Wahl. In Bayern ist es so, dass, meines Wissens, 19 Parteien oder Wählergruppen jetzt bei der Landtags- und Bezirkstagwahl antreten und dann eben auch entsprechend auf den Wahllisten vermerkt sind, sodass die Wählerinnen und Wähler eine große Auswahl haben. Und die Reihenfolge ist nach der Größe der Parteien, zumindest bei den Parteien, die schon im Landtag vertreten sind.
Carmen Romano: Okay, das heißt abhängig von der Größe der Fraktion im Landtag?
Margarete Bause: Genau
Carmen Romano: Okay, wunderbar, total spannend! Vielleicht, weil Du auch jetzt erwähnt hast, dass jede neue Partei, die Antritt, dann die Liste in den Bezirken aufstellen muss: Warum gibt es dieses komplizierte System, wo es für jeden der sieben Regierungsbezirke eine Liste gibt und nicht eine gesamte für Bayern?
Margarete Bause: Das ist tatsächlich auch einzigartig: Bayern ist da wieder mal besonders im Vergleich zu anderen Bundesländern. Das hat historische Gründe, dass die Bezirke eine ziemlich große Eigenständigkeit haben, manche auch eine eigene Identität haben: Ja, ich bin Franke, oder ich bin Oberbayerin oder ich bin Schwäbin. Also, das hat eine eigene Identität für die Menschen, und die Bezirke haben eine relativ starke Stellung. Und so wird in diesen sieben Regierungsbezirken extra gewählt. Und es gibt eben nicht eine gemeinsame Landesliste, wie das zum Beispiel in Hessen ist. Ja, jetzt zeitgleich mit der Wahl in Bayern gibt es auch die Landtagswahl in Hessen, dort gibt es eine Landesliste. In Bayern gibt es sieben unterschiedliche Bezirkslisten. Das heißt, wenn jetzt eine grüne Kandidatin in Mittelfranken kandidiert, dann kann ich die in Oberbayern zum Beispiel nicht wählen und umgekehrt. Also muss man nochmal gucken, wer ist eigentlich bei mir vor Ort Kandidatin oder Kandidat? Aber das ist ja auch kein Problem. Man sieht im Straßenbild die Plakate, man kann sich auf den Seiten der Parteien und Fraktionen informieren.
Carmen Romano: Und wie wird denn dann entschieden, abhängig von den Stimmen? Also, wird dann entschieden abhängig von den Stimmen, die man in dem Bezirk bekommt, also wie die Liste dann am Ende eingeordnet ist? Du hast ja gut erklärt, dass man abhängig von der Präferenz nach oben oder nach unten verschoben werden kann.
Margarete Bause: Das ist immer nur pro Bezirk. Also jeder Bezirk hat einen bestimmten Anteil von Abgeordnetenund die teilen sich dann eben nach dem Stimmenverhältnis in dem Bezirk auf. Und das hochhäufeln oder runterhäufeln geht dann auch immer nur auf der Bezirksliste. Also man kann in Mittelfranken nicht jemanden aus Niederbayern häufeln, sondern das geht immer nur auf der jeweiligen Bezirksliste.
Carmen Romano: Das erklärt so viel, Danke! Vielleicht kommen wir zum Ende, ein bisschen um unsere Zuhörer*innen zu motivieren, aber auch von der Schwierigkeiten, die manchmal bei der Wahlbeteiligung dastehen. Also was sind denn im Endeffekt für Dich die Haupthürden zur Wahlbeteiligung?
Margarete Bause: Als,. es gibt natürlich formale Hürden, das heißt, du musst erst mal 18 Jahre alt sein. Und das andere ist, du musst deutsche Staatsbürger*in sein, so wie du es auch gerade erwähnt hast: Du darfst zum ersten Mal wählen, weil du eingebürgert worden bist. Das bedeutet schon mal, dass eine relativ große Anzahl von Menschen, die zum Teil seit vielen Jahren in Bayern leben, nicht die Möglichkeit haben, über ihr Parlament mitzuentscheiden. Dann gibt es natürlich neben diesen formalen Hürden auch so, vielleicht psychologische Hürden oder Informationshürden. Also, Menschen fühlen sich nicht informiert oder wissen nicht, was macht der Landtag, was macht der Bezirkstag? Warum ist es wichtig, zur Wahl zu gehen? Die politische Bildung in Bayern ist wirklich zum Großteil sehr dürftig. Deswegen engagieren wir uns ja auch als Stiftung dafür, um zur politischen Bildung einen Beitrag zu leisten. Da ist wirklich noch viel Luft nach oben, was politische Bildung angeht, gerade in den Schulen.Das ist so unterbewertet, auch welche Bedeutung politische Bildung hat und viele Menschen interessieren sich auch nicht so wirklich, sind vielleicht auch im Alltag so beschäftigt mit den Problemen, dass sie sagen: Ach ist mir doch egal!
Ich halte das für einen großen Fehler, weil die Entscheidung, wer die Regierung führt - für die nächsten fünf Jahre sind es ja dann bis zur nächsten Wahl - hat eine große Bedeutung. Wird jetzt eher dem Sozialbereich Rechnung getragen oder versucht man da zu kürzen? Tut man was für den Klimaschutz oder macht man Abstandsregelungen für Windräder? All sowas wird im Landtag entschieden und das beeinflusst das Leben der Menschen. Und deswegen halte ich es für sehr, sehr wichtig, dass zum einen die Parteien auf die Wählerinnen und Wähler zugehen, das aber zum anderen auch die Bürgerinnen und Bürger selbst aktiv werden und sich informieren und auch ihre Kandidierenden fragen und sagen: Was wollen Sie da ändern?Was wollen Sie da machen? Wie tun wir mehr für den Klimaschutz? Wie kriegen wir eine gute Krankenhausversorgung hin? Wie kriegen wir den öffentlichen Verkehr besser organisiert? Was auch immer, was die Menschen betrifft, was sie interessiert, weil das eben auch die Grundlage ist, dass unsere Demokratie funktionieren kann. Und gerade wenn wir sehen, wie viele Menschen weltweit dafür kämpfen, dass sie demokratisch entscheiden können, dass sie freie und geheime Wahlen haben dürfen, dass diese Wahlen anerkannt werden, dann müssen wir, glaube ich, noch mal sehen, welches Glück wir haben, dass wir in einer Demokratie leben dürfen und dass es auch nichts ist, was einfach so garantiert ist, dass Demokratie etwas ist, was wir leben müssen, leben dürfen, was wir aber zum Teil auch verteidigen müssen, auch gegen die Angriffe von Innen durch rechtsradikale oder rechtsextreme Parteien, die Demokratie abschaffen wollen, und deswegen ist es ebenso wichtig, sich an diesem demokratischen System, diesem Wahlsystem zu beteiligen und demokratische Parteien zu wählen.
Carmen Romano: Ja, absolut. Vielleicht kurz zurück zur Briefwahl, weil ich finde, es ist so eine tolle Möglichkeit der Partizipation. Also ich persönlich werde in der Wahlkabine gehen, weil ich finde das so emotional. Es ist immer so ein schönes Gefühl, zusammen mit der ganzen Familie zu gehen, da mein Kreuz machen zu können. Aber wie gesagt, seit Ende August ist es möglich, sich in den jeweiligen Bürgerbüros anzumelden, wo man sich dann die Unterlagen zuschicken lassen kann. Jede und jeder sollte dann auch eine Wahlbenachrichtigung bekommen, wo da alle Informationen stehen, und kann sich noch mal auch für den für den Briefwahl entscheiden. Aber warum ist es so wichtig, diese Mittel zu haben der Wahlbeteiligung? Weil als Italienerin, ich habe das meiner Mama erzählt, und sie war so überrascht: „oh wie cool! Dann können dann beispielsweise ältere Menschen, die nicht so ganz beweglich sind, auch wählen gehen!“. Als ich mal mit der Briefwahl mitgemacht habe, war cool, weil ich saß in meiner Küche, hatte mein Laptop geöffnet, könnte dann ganz gezielt die jeweilige Kandidat*innen recherchieren. Also, es war super bequem und auch eine nette Atmosphäre, muss ich sagen.
Margarete Bause: Ja, Briefwahl nimmt auch immer mehr an Bedeutung zu. Immer mehr Menschen greifen zur Briefwahl und man muss es auch nicht mehr begründen. Früher war es so, dass es die absolute Ausnahme sein sollte, dass die Leute im Wahllokal ihre Stimme abgeben sollten. Und mittlerweile nimmt die Beteiligung an der Briefwahl immer mehr zu. Ich glaube, bei den letzten Wahlen war es sogar ein Viertel der Menschen, die ihre Stimme per Briefwahl abgegeben haben. Das ist natürlich zum einen wichtig, wenn man vielleicht im Urlaub ist oder übers Wochenende einen Ausflug macht oder beruflich unterwegs ist oder sowas, also an diesem Tag nicht an seinem Heimatort ist, dann kann man auf diese Art und Weise natürlich schon frühzeitig seine Stimme abgeben. Aber es ist natürlich auch so, wie du sagst. Es ist viel entspannter. Also man kriegt ja vier Wahlzettel, zwei zur Landtagswahl, und zwei zur Bezirkstagswahl. Und gerade die mit den Parteilisten, der ist natürlich ziemlich groß. Den muss man erst mal aufhalten und dann ist der ganze Tisch schon mal voll s und dann guckt man sich das an.Und da hat man natürlich viel mehr Ruhe als in so einer kleinen Wahlkabine, wo die Leute dann vielleicht schon in Schlange stehen und hinter einem warten, dass sie selber dann auch drankommen. Also, man kann sich das in Ruhe angucken, so wie du sagst. Man kann im Internet nochmal recherchieren, wer ist das eigentlich, was hat der oder die gemacht und kann dort in Ruhe dann auch seine Stimme abgeben und in den Briefkasten werfen. Natürlich sollte man es rechtzeitig tun. Und weil du gesagt hast, dann können ja auch Leute, die vielleicht Mobilitätsbehindert sind oder was auch immer. Das ist richtig. Aber man muss natürlich auch versichern, dass man die Stimme ohne fremde Hilfe abgegeben hat. Also, ich finde die Möglichkeit der Briefwahl sehr gut und sehr wichtig. Auch das ist etwas, wie du sagst, mit Italien, worum uns andere Länder beneiden und deswegen sollte man die Möglichkeit der Briefwahl auf jeden Fall nutzen. Ich persönlich gehe auch lieber ins Wahllokal, weil ich das so …es hat noch mal was anderes. Also, es ist so ein schöner Akt, und ich freue mich jedes Mal darauf.
Carmen Romano: Ja, ich auch total. Deswegen vielleicht noch mal abschließend: Du hast in der Frage schon mit ganz viel Leidenschaft und für unsere Demokratie erklärt, warum es wichtig ist, zu wählen. Aber vielleicht noch mal abschließend: stell dir vor, es hören uns Menschen wie ich zu, die zum ersten Mal wählen dürfen. Was würdest Du denen spezifisch dann sagen?
Margarete Bause: Du hast die Möglichkeit mitzuentscheiden, wer in den nächsten fünf Jahren die Regierung und wer die Opposition in Bayern stellt, welche Themen auf die Tagesordnung kommen, die Themen, die dir wichtig sind, die Menschen, die du vielleicht auch kennst oder denen du vertraust, den deine Stimme zu geben, um unsere Gesellschaft mitzugestalten. Das ist ja das tolle an der Demokratie, dass alle auch mitentscheiden und mitgestalten können und man auch nicht nur auf die Wahl reduziert ist. Also man hat auch viele andere Möglichkeiten, natürlich noch sich zu beteiligen an der Politik. Aber die Wahl ist natürlich eine Entscheidende. Das Parlament ist die Herzkammer unserer Demokratie. Und die Möglichkeit zu haben, darüber mitzuentscheiden, wer da drin ist und in welchem Kräfteverhältnis, das finde ich eine ganz, ganz große Errungenschaft. Und weil viele sagen: ja, auf meine Stimme kommt es ja jetzt gar nicht unbedingt an. Wir haben das in so vielen Wahlen gesehen, dass es ganz knapp war in manchen Fällen: Wer hat jetzt die Nase vorne? wer stellt den Kanzler oder die Kanzlerin? Das sind oftmals nur wenige Stimmen, die dann darüber entscheiden, was in Zukunft passiert und viele haben sich oftmals nach der Wahl geärgert, verdammt hätte ich mich doch nur beteiligt. Hätte ich, dann wäre es vielleicht anders ausgegangen. Also, es kommt tatsächlich auf jede einzelne Stimme drauf an und diese Chance sollte man sich nicht entgehen lassen.
Carmen Romano: Super, also, wenn ihr nicht wählen geht, nach diesen feurigen Worten weiß ich nicht, was hilft. Danke Dir. Das war's für diese Folge. Vielen Dank, Margarete, für Deine Zeit und diese spannenden Einblicke in die bayerische Politik. Folgt der Petra-Kelly-Stiftung auf Instagram, Facebook, YouTube oder Soundcloud, um weitere Folgen zu hören oder diese Folge zu kommentieren. Und nicht vergessen: Diese Folge ist Teil einer Reihe von Veröffentlichungen, unter anderem Artikeln in leichter Sprache, Erklärungsvideos zu spannenden Fragen wie das Wahlalter ab 16 und Veranstaltungen rund um die Landtagswahlen. In den Shownotes findet ihr den Link zu der Landingpage mit der Übersicht über all diese Angebote. Dieser Podcast wurde konzipiert und bearbeitet von der Mitarbeiter*innen der Petra-Kelly-Stiftung. Die Musik ist von Kevin McLeod. Danke fürs Zuhören und ich wünsche euch eine gute Wahl am 8. Oktober.
Jährlich finden viele Wahlen in Europa und auf der ganzen Welt statt, die schon für Deutschland relevant sind, aber worüber man vielleicht nicht so viel mitbekommt. Wir haben Freunde, Familienangehörige, Mitglieder und Stiftungsräte gefragt „was möchten Deutsche Bürger*innen über dieses Land erfahren?“, „was ist für Euch kurios und wird aber in den Zeitungen nicht betrachtet?“ und einer Person aus dem Land diese Fragen gestellt.