Energiewende in Bayern: Die Kommunen werden aktiv!

Die Energiewende in Bayern wird kommen. Und sie wird weiterhin "von unten", von den Bürger/innen und den Kommunen, in die Wege geleitet. Und: Wenn die Betroffenen frühzeitig in die Planung einbezogen werden und ihnen die wirtschaftlichen Vorteile für die Region (Stichwort: regionale Wertschöpfung!) klar gemacht werden, dann braucht man sich auch um die Akzeptanz keine Sorgen machen.

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Im Rahmen des 26. kommunalpolitischen Kongresses

Das enorme Interesse an unserer Tagung - 105 Teilnehmende! - zeigt: Die Energiewende in Bayern wird kommen. Und sie wird weiterhin "von unten", von den Bürger/innen und den Kommunen, in die Wege geleitet. Und: Wenn die Betroffenen frühzeitig in die Planung einbezogen werden und ihnen die wirtschaftlichen Vorteile für die Region (Stichwort: regionale Wertschöpfung!) klar gemacht werden, dann braucht man sich auch um die Akzeptanz keine Sorgen machen.

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Bild von Ludwig Hartmann

Ludwig Hartmann betonte, dass der relativ strenge Winter gezeigt habe, dass in Deutschland die Lichter nicht ausgehen, wenn Atomkraftwerke abgeschaltet seien. Die Energiewende sei bereits in vollem Gang – was aber wesentlich dem Engagement der Bürger/innen zu verdanken sei, die sich in vielen Energiewende-Projekten engagieren. Demgegenüber lasse die Politik der Bayerischen Staatsregierung immer noch viel zu wünschen übrig. Der Windenergieatlas, den sie herausgegeben hat, zum Beispiel sei eine unzureichende Planungsgrundlage. Hinweise dafür, wie man für eine Akzeptanz von Energiewende-Planungen schaffen könne, fehlen ebenso wie verbindliche Vorgaben für die notwendigen Ausgleichszahlungen.

Da die Höchstlast derzeit nur an 21 Stunden im Jahr gebraucht wird, ist es laut Hartmann völlig unwirtschaftlich, die Auslegung des Netzes und des Kraftwerkparks an diesen Spitzenwerten zu orientieren. Notwendig seien dagegen wesentlich größere Anstrengungen für Energieeffizienz und Energiesparen.

Weitere Informationen:

Energiewende jetzt! Eine Grüne Energiepolitik für Bayern

Kommentar zu den „Hinweisen zur Planung und Genehmigung von Windkraftanlagen“ (Winderlass)

www.energiekommission.de

Bild von Dr. Peter Pluschke

Dr. Peter Pluschke gab einen informativen Überblick über die Bemühungen in der Metropolregion Nürnberg, die Energieversorgung der Zukunft zu organisieren. Ausgehend von einer detaillierten Endenergiebilanz will man dort den Wärmeverbrauch bis zum Jahr 2050 auf die Hälfte reduzieren und 30% dieses Wärmebedarfs aus regenerativen Energiequellen erzeugen. Beim Strom soll die Ökostromquote bis 2050 auf 80% erhöht werden. Große Anstrengungen sind auch bei der energetischen Sanierung des Gebäudebestands geplant. Denn – so Pluschke – das "Energiesparen ist ein zentraler Bestandteil der Energiewende". Erste Erfolge dieser Klimaschutzstrategie sind schon zu verzeichnen. Die Stadtwerke spielen dabei mit ihren vielfältigen Beteiligungen und Tochtergesellschaften eine zentrale Rolle. So ist die N-ERGIE AG am Integra-Konsortium beteiligt, dem über 100 kommunale Stadtwerke angehören und das für die dezentrale Struktur der Energiewende von besonderer Wichtigkeit ist. Pluschke plädierte nachdrücklich für die Schaffung eigener Stadtwerke, weil diese als energiepolitisches Steuerungsinstrument unverzichtbar seien und zudem große finanzpolitische Bedeutung für die kommunalen Haushalte hätten.

Weitere Informationen: Die Präsentation von Peter Plüsche können Sie als PDF-Datei bei uns bestellen. Dort finden sich auch viele weiterführende Links.

Bild von Dieter Gewies

Dieter Gewies zeigte demgegenüber am Beispiel seiner Gemeinde Furth, in der er seit 1998 Bürgermeister ist, auf, dass auch in ländlich strukturierten Regionen die Energiewende vorangetrieben werden kann. Entscheidend dafür sei letztlich der politische Wille, der sich in Furth in einem einstimmigen Ratsbeschluss aus dem Jahr 1999 (!!) niedergeschlagen habe, sich zu 100% mit Strom und Wärme aus erneuerbaren Energien zu versorgen. Alle seither ergriffenen Maßnahmen seien wirtschaftlich und in den Händen der Gemeinde selbst geblieben. Das habe nicht zuletzt zur kommunalen Wertschöpfung beigetragen. Gewies: „Wer jetzt noch nicht mit der Energiewende begonnen hat, handelt zum Nachteil der eigenen Gemeinde.“ Denn die Energiewende sei ein ungeheurer wirtschaftlicher Faktor. Und wenn die Menschen, die vor Ort wohnen, von den Energiewende-Projekten selbst profitieren, dann sind sie dafür auch leichter zu gewinnen. Die Umsetzungsplanung müsse vor Ort selbst erstellt werden und die jeweiligen spezifischen Verhältnisse berücksichtigen. Die Finanzierung könne zu einem Großteil von den Bürger/inne/n selbst übernommen werden. Für größere Investitionen empfahl Gewies Genossenschaften, GmbHs oder Mischformen. In den letzten Jahren wurden so in der Gemeinde über 10 Millionen Euro in Erneuerbare und Energieeinsparung investiert und damit die lokalen und regionalen Wirtschaftskreisläufe ganz erheblich und spürbar gefördert. Das Geld dafür stammt überwiegend und direkt von verantwortungsbewussten Bürger/inne/n aus dem nahen Umkreis. 

Weitere Informationen:

https://www.furth-bei-landshut.de/furth/nachhaltige-entwicklung/energie/

Bild von Erich Maurer

Erich Maurer stellte mit dem Energienutzungsplan ein wichtiges Instrument zur Umsetzung der Energiewende in den Kommunen vor. Er empfahl dringend, ein so komplexes Thema wie die Bestands- und Potenzialanalyse nicht von der Kommune selbst erstellen zu lassen, sondern dafür externen Sachverstand einzuholen. Sehr wichtig, wenn auch relativ schwierig sei es, dabei auch Gewerbe und Industrie einzubeziehen. Und: Stadt und Land müssten unbedingt zusammenarbeiten, um die unterschiedlichen Potentiale gemeinsam zu erschließen. Es genüge nicht, "Inseln der Glückseligkeit" zu schaffen, auf denen die Versorgung mit erneuerbaren Energien doppelt oder dreifach erreicht wird, sondern es müssten größere Verbünde geschaffen werden. Auch Maurer sieht in den örtlichen Verbrauchsschwerpunkten den wesentlichen Ansatz- und Ausgangspunkt sowohl für Maßnahmen für eine bessere Energieeffizienz als auch für den Einsatz erneuerbarer Energien. Die eigenen Liegenschaften der Kommune haben dabei für ihn Vorzeige- und Vorbildcharakter.

Weitere Informationen: Die Präsentation von Erich Maurer ist als PDF-Datei bei uns erhältlich.

Leitfaden Energienutzungsplan

Bild von Wolfdieter von Trotha

Wolfdieter von Trotha skizzierte den Beitrag, den genossenschaftliche Konzepte bei der Umsetzung der Energiewende leisten können. So ist in den vergangenen Jahren ein deutlicher Anstieg bei den Energiegenossenschaften zu verzeichnen, vor allem im Bereich Photovoltaik und Wärmeversorgung. 2011 wurde die erste Windgenossenschaft gegründet. In Bayern gibt es mittlerweile 127 Energiegenossenschaften – Tendenz steigend. Als demokratische Eigentumsform, in der jedes Mitglied unabhängig von der Höhe der Kapitalbeteiligung eine Stimme hat, bietet sich die Genossenschaft zur Einbindung bürgerlichen Engagements bei der Energiewende an. Durch unterschiedliche Gestaltung der Genossenschaftsstruktur ist es auch möglich, Kommunen und evtl. Regionalversorger wie auch die Bürger/innen einzubinden. Es besteht großes Potenzial für mehr Energie-Genossenschaften zur Umsetzung der regionalen Energieautarkie. Für jedes Energiethema existiert eine vorteilhafte genossenschaftliche Konzeption. 

Weitere Informationen: Sie können die Präsentation von Wolfdieter von Trotha als PDF-Datei bei uns bestellen.

Energiegenossenschaften treiben Energiewende voran

Genossenschaftsverband Bayern: Gestaltung der Energiewende nach genossenschaftlichen Prinzipien

Bild von Irina Rau

Irina Rau gab einen interessanten Überblick über die Ergebnisse von Forschungsprojekten, die sich mit der Akzeptanz von Energiewende-Projekten von Seiten der Bürger/innen befassten. Grundsätzlich ist diese Akzeptanz sehr groß: 70,7 % befürworten solche Projekte, 10,8 % engagieren sich sogar aktiv für deren Umsetzung. Dagegen werden sie nur von 15,3 % abgelehnt und von 3,2 % mit aktivem Widerstand begleitet. Je nach der angewandten Technologie, dem Standort und den spezifischen Planungsverfahren kann die Akzeptanz jedoch durchaus unterschiedlich ausfallen. Die Transparenz des Planungsverfahrens ist für die Akzeptanz von besonders großer Bedeutung. Auch Bürgerinitiativen spielen eine wichtige vermittelnde Rolle, weil sie als Ansprechpartner großes Vertrauen genießen. Auch die Frage der regionalen Gerechtigkeit ist für die Akzeptanz von großer Bedeutung. Es empfiehlt sich deshalb zum einen eine möglichst frühzeitige Beteiligung der Bevölkerung am Planungsprozess auch durch informelle Verfahren. Außerdem sollte deutlich gemacht werden, dass solche Projekte für die Region von wirtschaftlichem Vorteil sind.  Die Untersuchungen zeigen ganz deutlich, dass die Opposition gegen Energiewende-Projekte am stärksten ist, wenn auswärtige Initiatoren ohne wirkliche Bürgerbeteiligung handeln und eigenen Profit generieren wollen. Haben jedoch glaubwürdige Kräfte der heimischen Region Planung, Betrieb und Ökonomie in der Hand, steigt die Akzeptanz wesentlich; damit ist meist auch die Perspektive günstigerer Strompreise verbunden.

Weitere Informationen: Die Präsentation von Irina Rau gibt es bei uns als PDF-Datei.

Irina Rau/Götz Walter/Jan Zoellner: Wahrnehmung von Bürgerprotesten im Bereich erneuerbarer Energien - Von NIMBY-Opposition zu kommunaler Emanzipation. Umweltpsychologie 2/11, S. 37-51

Aktivität und Teilhabe – Akzeptanz Erneuerbarer Energien durch Beteiligung steigern. Projektabschlussbericht

https://www.ipsy.ovgu.de/Umweltpsychologie.html

Bild von Buechler und Bosse

Claudia Bosse und Markus Büchler beschäftigten sich v.a. mit den Zielkonflikten zwischen Landschafts- und Naturschutz auf der einen und dem Einsatz erneuerbarer Energien auf der anderen Seite. Man müsse dabei die emotionale Bindung viele Bürger/innen an die Landschaft, die stark mit Identitäts- und Heimatgefühlen verbunden sei, ernst nehmen. Zu bedenken sei aber auch, dass es in unseren Regionen sicherlich keine echte Naturlandschaft mehr gibt, sondern eine Kulturlandschaft. Und diese habe sich schon immer verändert und werde sich natürlich auch durch Energiewende-Projekte weiter verändern. Zudem - so Büchler – ist die Energienutzung schon immer ein selbstverständlicher und auch landschaftsprägender Landschaftsbestandteil (z.B.: AKW, Kohlekraftwerke und Braunkohleabbau, Stromtrassen, Wasserkraftnutzung). Da es eine grundsätzliche Sympathie für die Energiewende gibt, kommt es v.a. auch darauf an, etwaige Irrtümer und Vorurteile gegenüber bestimmten EE-Projekten auszuräumen und die Vorteile gerade für die jeweiligen Regionen (Wertschöpfung vor Ort) herauszuarbeiten. Wichtig: Wenn die Bürger/innen selbst beteiligt sind, dann erhöht das die Akzeptanz erheblich.

Weitere Informationen: Die Präsentation von Markus Büchler und Claudia Bosse ist bei uns als PDF-Datei erhältlich.

 

Bild von Johann Gerdenitsch

Johann Gerdenitsch befasste sich – am Beispiel der „Solar- und Denkmalstadt“ Fürth mit dem Zielkonflikt zwischen Denkmalschutz und Solaranlagen. In Fürth ist dies v.a. deshalb ein Problem, weil große Teile der Innenstadt als Einzeldenkmäler oder im Ensemble unter Denkmalschutz stehen. Zwar ist es in Fürth dennoch gelungen Solaranlagen mit 15 MW Leistung zu installieren. Aber die Konflikte mit dem Denkmalschutz waren vorprogrammiert und wurden in aller Regel zuungunsten der energetischen Nutzung „gelöst“. So wurde die Gewinnung von Sonnenstrom vom Rathausdach nicht genehmigt. Im Ortsteil Unterfarrnbach dagegen konnten trotz des Ensembleschutzes viele Solardächer auf den von der Straße abgewandten Dachseiten installiert werden (v.a. auf Scheunen und Ställen in diesem landwirtschaftlich geprägten Ortsteil, aber auch auf einigen Wohngebäuden). Gerdenitsch zeigte sich enttäuscht, dass es bisher nicht gelungen sei, den Denkmalschutz von der Denkmalverträglichkeit von Solaranlagen zu überzeugen, appellierte jedoch, den Kampf noch nicht aufzugeben.

Weitere Informationen: Die Präsentation von Johann Gerdenitsch gibt es bei uns als PDF-Datei.

Johann Gerdenitsch: Solar- und Denkmalstadt Fürth. Konflikte zwischen Solarenergienutzung und historischem Städtebau. In:  DIFU (Hrsg.): Klimaschutz und Denkmalschutz. Schutz für Klima und Denkmal – kommunale Praxisbeispiele zum Klimaschutz bei denkmalgeschützten Gebäuden. DIFU. Köln 2011, S. 55-64

 

Literaturhinweise - Materialien - Links:

Bayerisches Staatsministerium des Innern: Baurechtliche Behandlung von Maßnahmen zur nachträglichen Wärmedämmung an Außenwänden und Dächern. Schreiben an die Bezirksregierungen vom 04.02.2011

Helmut Bröll: Baurechtliche Erleichterungen für energetische Maßnahmen an Gebäuden. In: Bayerischer Gemeindetag 2/2012, S. 66-68

Bund deutscher Landschaftsarchitekten: Windkraft in Bayern – Positionen. Stellungnahme vom 15.12.2011

Bundesverband Solarwirtschaft e.V.: EEG-Solarstromförderung. Marktentwicklung und aktuelle Kostendebatte, 26.01.2012

DIFU (Hrsg.): Klimaschutz und Denkmalschutz. Schutz für Klima und Denkmal – kommunale Praxisbeispiele zum Klimaschutz bei denkmalgeschützten Gebäuden. DIFU. Köln 2011 (auch als PDF-Datei zum Herunterladen!)

Wolfgang George/Thomas Berg (Hrsg.): Energiegenossenschaften gründen und erfolgreich betreiben. Pabst, Lengerich/Berlin/Wien 2011

Bernd Hirschl/Steven Salecki/Timo Böther/Katharina Heinbach: Wertschöpfungseffekte durch Erneuerbare Energien in Baden-Württemberg. Endbericht. Berlin 2011

Stefan Pützenbacher: Erneuerbare Energien vs. Denkmalschutz. Steht das Denkmalschutzrecht dem Umweltschutz entgegen? In: Publicus 2012.2, S. 18f.

Andreas Schröder/Pao-Yu Oei/Christian v. Hirschhausen/Clemens Gerbaulet: In Ruhe planen: Netzausbau in Deutschland und Europa auf den Prüfstand. In: DIW Wochenbericht 20/2012, S. 3-12 (auch zum Herunterladen als PDF-Datei!)

www.100-ee.de

www.100-ee-kongress.de

www.buergerdialog-bmbf.de/energietechnologien-fuer-die-zukunft/index.php

www.deenet.org

www.ee-regionen.de

www.eneff-stadt.info

www.bioenergiedorf.info

www.kommunal-erneuerbar.de

www.regiosolar.de

www.wege-zum-bioenergiedorf.de

www.energiegenossenschaften-gruenden.de/67.html

 

Veranstaltungsort

Abensberg



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