Europa nimmt nicht nur Flüchtlinge auf – oder wehrt sie ab –, es ist auch beteiligt an der Schaffung von Fluchtursachen in Afrika.
Menschen und Wege zwischen Europa und Afrika
Europa nimmt nicht nur Flüchtlinge auf – oder wehrt sie ab –, es ist auch beteiligt an der Schaffung von Fluchtursachen in Afrika. Neue Freihandelsverträge, Export subventionierter europäischer Agrarprodukte, hilflose Entwicklungshilfe – die Kritikpunkte sind vielfältig.
Heute machen sich junge Afrikaner auf, um in Europa ein besseres Leben zu suchen. Welche Hoffnungen haben sie? Was erleben sie? Und welche Perspektiven haben die, die sich fürs Bleiben entscheiden?
Der Münchner Filmemacher Peter Heller hat seit vielen Jahren Entwicklungen in Afrika dokumentiert. Seine Filme waren der Ausgangspunkt dieses Seminars.
Der Film „Süßes Gift“ thematisiert 50 Jahre und (mehr als) zwei Billionen Euro Entwicklungshilfe und stellt die Frage, ob die Hilfe unseren Nachbarkontinent abhängig macht. Gemeinsam mit afrikanischen Intellektuellen und Praktikern kommt Peter Heller zu der ernüchternden Einsicht, dass Hilfe ein Geschäft ist. Und es ist für die Geber und für ihre Empfänger ein gefährliches Suchtmittel, da sie Abhängigkeit und Lethargie schafft. Nach der Filmvorführung berichtete Heller ausführlich über die Entstehung des Films und diskutierte mit dem sehr interessierten Publikum die aufgeworfenen Fragen.
Prof. Dr. Robert Kappel wies zunächst deutlich darauf hin, dass Afrika keine Einheit, sondern u.a. in Kultur und Sprache sehr unterschiedlich, vielfältig und differenziert ist. So gibt es zerfallende Staaten, solche mit vielen Rohstoffen (mit denen sehr unterschiedlich umgegangen wird), Länder mit wenig Ressourcen und solche, die sich zu Industrieländern entwickeln. Auch gibt es eine große Ungleichheit in der Entwicklung von Stadt und Land. Frauen auf dem Land sind dabei die Ärmsten. Weitere Probleme sind der technologische Wandel und die Globalisierung; beides führt zu Jobproblemen. Es gibt ein extremes Bevölkerungswachstum vor allem auf dem Lande. Auch in den rohstoffreichen Ländern gibt es immer weniger Arbeit für Einheimische, was zu großen Frustrationen führt. Auch ist die Bildung ein Problem – 6 Schulpflichtjahre, wie üblich, sind viel zu wenig, vor allem, da in vielen Schulklassen bis zu 100 Kinder gleichzeitig unterrichtet werden. In einigen afrikanischen Ländern gibt es derzeit neue Ansätze hin zu besser ausgebildeten jungen Menschen, die teilweise im Ausland studiert und gearbeitet haben und nun zurückkommen und für ihr Land etwas tun wollen.
Die europäische Afrikapolitik ist gekennzeichnet von entwicklungspolitischer Zusammenarbeit; es wird nicht agiert, sondern lediglich reagiert. So gibt es in Deutschland u.a. das Problem, dass viele verschiedene Pläne unterschiedlicher Ministerien nicht aufeinander abgestimmt werden. Und mit den Ländern Afrikas sind die Pläne ebenfalls nicht abgestimmt! So entsteht eine Politik für, aber nicht mit Afrika, was ein Fehler ist.
Sinnvoll wäre es laut Kappel, globale und regionale Wertschöpfungsketten aufzubauen und zu nutzen. Und es wäre extrem wichtig, in die Infrastruktur zu investieren: Mit dem Bau von Straßen und der Versorgung mit Elektrizität wäre eine sinnvolle Entwicklungshilfe geleistet.
Aber auch die Länder selber müssen etwas beitragen. Gute Ideen und Pläne verpuffen auf Grund von Korruption vor Ort. Hier müsste westliche Hilfe ansetzen und auch durch das Einfordern von Menschenrechten (keine Unterstützung für undemokratische Regime!).
In Bezug auf die Globalisierung und das damit einhergehende Auseinanderdriften der Welt muss den afrikanischen Ländern geholfen werden, eigene Wege zu finden und zu gehen und u.a. der Zugang zu Technologie erleichtert werden. So könnten z.B. Schul- und Hochschulpartnerschaften gefördert werden, damit Frauen und Männer vor Ort ihre eigenen Lösungen finden können.
Sophia Wirsching sorgte mit ihrem Beitrag für einige Fakten und Hintergründe, die zum Verständnis beitrugen und die Ausführungen von Prof. Kappel unterstrichen. Ihre Präsentation können Sie hier als PDF-Datei herunterladen.
Der Film „Barca ou Bassa“ - Barcelona oder Tod - analysiert Hintergründe und Ursachen der Abwanderung von einer kleinen „paradiesischen“ Insel vor der Küste Westafrikas. Dabei kommen vor allem afrikanische Expert*innen und Aktivist*innen zu Wort. Der Film analysiert ökologische Umstände, wirtschaftliche Bedingungen und geopolitischen Zusammenhang zu der dokumentarischen Langzeitstudie „LIFE SAARABA IllEGAl“ vor dem aktuellen Hintergrund der Abschottung Europas.
Der Film „Life-Saarabe-Illegal / Acht Jahre unter Clandestinos“ verfolgt über fast ein Jahrzehnt Aladji und Souley, zwei Brüder von einer kleinen Fischerinsel im Atlantik vor der Küste Westafrikas. „Saaraba“ nennen sie in Westafrika das verheißene Land – Europa. Der ältere Aladji schaffte es als Bootsflüchtling bis in die Gemüseplantagen Spaniens und lebt dort illegal bis heute. Der jüngere Bruder Souley träumt von Europa und macht sich auf den Weg zu seinem Bruder. Im Zentrum dieser Chronik stehen ihre Träume und Erfahrungen um Europa und ihre „privaten Entwicklungsgelder“ für die Familie daheim auf der Insel.
Referent*innen
Peter Heller
Filmemacher, München
Prof. Dr. Robert Kappel
GIGA Institut für Afrika-Studien, Hamburg-Berlin
Dr. Miriame Racine Sow
Dipl.-Soziologin, im Senegal geboren, Frankfurt/Main
Sophia Wirsching
Referentin für Migration und Entwicklung, Brot für die Welt
Partner
Evangelische Stadtakademie München