Öffentliche Räume in Stadt und Land

Bundesweite kommunalpolitische Konferenz im Rahmen des Projekts „Shared Spaces – Europäische Dialoge über öffentliche Räume“ des Heinrich-Böll-Stiftungsverbunds

Lesedauer: 19 Minuten
Logo der Stadt-Land Konferenz in Würzburg

Bundesweite kommunalpolitische Konferenz im Rahmen des Projekts „Shared Spaces – Europäische Dialoge über öffentliche Räume“ des Heinrich-Böll-Stiftungsverbunds

Die Beschaffenheit öffentlicher Räume als Begegnungsmöglichkeiten von Menschen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen und sozialen Zusammenhängen macht unsere Städte und Dörfer lebenswert; die Bedingungen dafür unterscheiden sich aber in urbanen und dörflichen Umgebungen.Parks, Straßen und Plätze teilen sich Autofahrer*innen und Fußgänger*innen, Einheimische und Tourist*innen, Obdachlose und Besserverdienende, Jugendliche und Shoppende.Die Konferenz ging den Fragen nach: Was macht gute öffentliche Räume und Lebensqualität in der Stadt und auf dem Lande aus? Wie viel Vielfalt «vertragen» wir? Wie schaffen wir angenehme und inklusive öffentliche Räume? Wie schützen wir Orte vor Verödung und demokratisieren die Konflikte um «umkämpfte» Gebiete?

Würzburg Susanna Tausendfreund begrüßt
Würzburg: Susanna Tausendfreund (1. Bürgermeisterin, Gemeinde Pullach im Isartal) begrüßt

Karolina Petz, die für das Architekturbüro Gehl in Kopenhagen arbeitet, stellte in ihrem Vortrag Stadt für Menschen – wie machen wir Städte lebenswert? u.a. das Konzept von Gehl vor, das darin besteht, Architektur um das Leben herum zu entwickeln und nicht den Bürgern eine architektonische Umgebung bereitzustellen, in der sie sich freie Räume suchen müssen. Um Informationen über die Anforderungen der Bewohner zu gewinnen, sammelt das Büro Daten über z.B. Aufenthaltsdauer und Nutzungsfrequenz der vorhandenen Räume. Damit kann dann der öffentliche Raum den Bedürfnissen der Bewohner angepasst oder neu designt werden.

Anschließend wurden eigene Projekte aus New York, Kopenhagen und Bern präsentiert. Alle Projekte reduzierten die Fläche des Autoverkehrs und steigerten oder erschufen Flächen für den Radverkehr, für Entspannungsmöglichkeiten und für Fußgänger. Mit Vorher-nachher-Vergleichen veranschaulichte die Architektin die jeweiligen Veränderungen und belegte den Effekt mit vor Ort erhobenen Zahlen. 

Im zweiten Impuls Eine Stadt für alle: Grüne Ansätze für eine am Gemeinwohl orientierte Stadtplanung und Sozialraumorientierung in Dresden legte Tina Siebeneicher, Stadträtin und Sprecherin für Asyl, Migration und  Jugendpolitik, Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen in Dresden den Fokus auf ihre Heimatstadt. Sie begann mit dem Potential, das von öffentlichen Räumen ausgeht. Es entfaltet sich durch verschiedene Nutzungen wie Gemeinschaftsgärten oder durch das Aufstellen von (provokanter) Kunst. Des Weiteren erläuterte sie den Raumnutzungskonflikt zwischen Bürgern und Touristen oder Kriminellen sowie die Kommerzialisierung des öffentlichen Raums, die die Freiheit der Nutzung für normale Bewohner beschneidet.    

Von der Stadt auf das Land schwenkend, handelte der letzte Impuls Neuland gewinnen – wie gestalten wir kreative, inklusive Räume auf dem Lande? von einer Umgestaltung eines verfallenden Bauernhofes in einem thüringischen 250-Einwohner-Dorf. Dieser wurde einerseits zu privatem Raum in Form von Werkstätten und Wohnraum, andererseits zu öffentlichem Raum in Form von Festsälen und einer umgebenden Grünanlage umgewandelt. Stolz war der Vortragende Klaus Börngen, Bürgermeister von Göpfersdorf (Thüringen) und Träger  des Quellenhof e.V., dass es dem Dorf durch diese Maßnahme und die ansässigen Freiberuflern gelang, im Gegensatz zum übrigen ländlichem Raum, die Einwohnerzahl zu halten.

Allen drei Impulsgebern gemein ist die Tatsache, dass sie bemüht sind, den öffentlichen Raum durch Projekte lebenswert zu machen und dabei möglichst alle Bürger und Interessen zusammenzubringen. Dabei konnten alle drei von positiven Erfahrungen und Entwicklungen berichten, die durch eine attraktive Gestaltung des öffentlichen Raumes entstanden sind.         

Den Mitschnitt der drei Impulsvorträge können Sie hier ansehen: 

Öffentliche Räume in Stadt und Land. Qualitäten, Chancen und Herausforderungen - Impulsvorträge - Petra-Kelly-Stiftung

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(Am Nachmittag gab es die Möglichkeit, an zwei verschiedenen Foren teilzunehmen, ehe der Tag mit einer Podiumsdiskussion im Plenum abgeschlossen wurde)





Forum 1: Demokratiestärkung im ländlichen Raum

mit Elisabeth Schönrock, Ref. Demokratiestärkung im ländlichen Raum, Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement

Impulsgeberin für das Forum „Demokratiestärkung im ländlichen Raum“ war Elisabeth Schönrock, Referentin für genau diesen Schwerpunkt des Bundesnetzwerks Bürgerschaftliches Engagement (BBE). Zur Einführung in das Diskussionsthema stellte sie ihre Arbeit im BBE vor.

Die gewaltigen Aufgaben, vor denen man im ländlichen Raum gerade beim Thema Demokratiestärkung stehe, ließen sich nur in Kooperation mit zivilgesellschaftlichen Akteur*innen angehen und bewältigen. Dabei habe es sich bewährt, auf bereits bestehende Strukturen zurückzugreifen. Um diese aufzuspüren sei die deutsche Vernetzungsstelle ländlicher Räume eine hilfreiche Anlaufstelle. Damit Akteur*innen der Zivilgesellschaft vor Ort ins Gespräch kommen, organisiert das BBE partizipative Formate wie „Bar-Camps“ – also offene Tagungen mit Workshops, deren Inhalte und Ablauf von den Teilnehmer*innen zu Beginn der Tagung selbst entwickelt und gestaltet werden.

Nach diesem kurzen Impuls beschäftigte die Diskutierenden zunächst die Frage nach „Wegen aufs Land“: Wie können Stadtbewohner*innen, die es (zurück) aufs Land zieht, Anknüpfungspunkte in lokalen Gemeinschaften finden? Eine Diskussionsteilnehmerin sprach aus eigener Erfahrung und betonte, es ginge vor allem ums Anpacken und Mitmachen. Dann wechselte die Blickrichtung und das Forum stellte sich der Frage, wie es gelingen kann, die Bürger*innen für gemeinschaftliche Aktionen zu mobilisieren, die „nicht eh immer von Haus aus kommen“. Wieder konnten Anwesende aus ihren eigenen Erfahrungen sprechen: Wichtig seien gute Gesprächsangebote, interessante Themen und persönliche Ansprache. Ebenso entscheidend sei dann aber auch, dass Bürger*innen, die im öffentlichen Raum aktiv werden, in ihrem Engagement Selbstwirksamkeitserfahrungen machen und so nachhaltig motiviert bleiben. Schließlich wurde thematisiert, ob der ländliche Raum gerade für die Demokratieförderung nicht auch besondere Chancen biete: Hier stünden ganz unterschiedliche Menschen miteinander in Kontakt, die sich in der Stadt wohl nicht so häufig begegnen würden. Stadtbewohner*innen dagegen falle es bei mehr Menschen auf engem Raum leichter, sich in ihre soziale „Bubble“ zurückzuziehen.

Abschließend wurde betont, dass Demokratiestärkung auf dem Land besonders dann möglich und wirksam sei, wenn sowohl Institutionen als auch Privatpersonen ihre individuelle Verantwortung für die Gesellschaft wahrnehmen und anpacken würden.

Würzburg: Korbinian Kroiß Inpulsvortrag
Korbinian Kroiß (nonconform, Büro Bayern)

Forum 2: Vom Donut-Effekt zum Krapfen-Effekt – Wie die Revitalisierung eines Ortskerns gelingen kann      

mit Korbinian Kroiß, nonconform, Büro Bayern

Korbinian Kroiß begann seinen Vortrag mit einem kurzen, historischen Exkurs. Früher entstanden Ortschaften vornehmlich an den Kreuzungen von zwei Straßen, wo gehandelt wurde und Marktplätze etabliert wurden. Die Umgebung herum wurde dann sukzessive baulich erschlossen. Heutzutage haben wir am Ortsrand in der Regel Umgehungsstraßen, Fachmarktzentren und Neubaugebiete. Die nicht intendierte Folge, die Korbinian Kroiß in seinem Vortrag beschreibt heißt umgangssprachlich „Donut Effekt“. Von diesem Effekt wird gesprochen, wenn sich das Leben primär am Ortsrand abspielt und der Ortskern langsam ausstirbt.

In der Reaktion wird dann häufig der sog. „Krapfen“ von Kommunalpolitker*innen gefordert. Der entstandene Donut (bzw. der ausgehölte Ortskern) muss wieder gefüllt werden. Die Schwierigkeit: Es braucht passende Marmeladerezepte und jede Kommune hat individuelle Anforderungen. Die Herausforderung besteht folglich darin, das jeweils passende Rezept zur Revitalisierung des Ortskerns zu finden.

Häufig werden dann Planer und Architekten beauftragt, um Gegenmaßnahmen und passende Konzepte zu entwickeln. Hier werden jedoch häufig die Anliegen der involvierten Bürgerinnen und Bürger vernachlässigt. Hier kommt die Ideenwerkstatt nonkonform ins Spiel. Deren Planer*innen reisen in die betroffenen Kommunen und versuchen dort, die Anwohner*innen in den Planungsprozess zu integrieren – durch innovative Methoden und eine Öffentlichkeitsarbeit, die alle Bevölkerungsgruppen mobilisieren soll. Dabei ist es u.a. wichtig, vorab die Aufgabe klar zu definieren, das Gebiet abzugrenzen und einen Zeithorizont festzulegen.      

Dennoch handelt es hierbei um eine nicht-triviale Aufgabe, da unterschiedliche Interessen der jeweiligen Akteursgruppen berücksichtigt werden müssen. Dabei haben verschiedene Akteure teils verschiedene Zeithorizonte und v.a. die Politik denkt häufig nur in Legislaturperioden. 

Am Ende dieses Beteiligungsprozesses stehen keine fixen Pläne und Entwürfe, sondern eher Visionen und Ideen, die auf den Wünschen und Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger basieren und als Impulse dienen sollen. Das Ergebnis bezeichnete Korbinian Kroiß auch als „schönster gemeinsamer Nenner“.

Würzburg_Mario Abl
Mario Abl (Bürgermeister Stadtgemeinde Trofaiach - Steiermark)

Forum 3: Lebendige Ortsmitte

mit Mario Abl, Bürgermeister von Trofaiach

Trofaiach ist eine Stadt in Österreich mit ca. 12.000 Einwohnern. Diese leben zusammen auf relativ wenig Fläche, da zur Größe von Trofaiach auch die viele umgebende Natur zählt. Die Stadt hat mit dem sogenannten „Donut – Effekt“ zu kämpfen. Das heißt, dass Banken, Supermärkte und andere große Geschäfte aus der Ortsmitte an den Ortsrand umziehen, wodurch der Ortskern verlassen und trist wirkt.   

Zu Anfang war Trofaiach kleiner, nach der Neugründung mit zwei direkten Nachbargemeinden wuchs die Einwohnerzahl allerdings auf über 10.000. Dies bedeutete mehr Geld vom Staat, was von der Stadt für Themen wie „Ortskernbelebung“ ausgegeben wird, um dem „Donut – Effekt“ entgegenzuwirken.

Für Bürgermeister Mario Abl war klar, dass es eine Bürgerbeteiligung zur Belebung der Innenstadt geben muss, um auf die Wünsche der Einwohner eingehen zu können. Dafür wurden auch unkonventionelle Methoden angewendet, zum Beispiel konnten die Bürger in Gasthäusern ihre Ideen und Wünsche auf Bierdeckel schreiben und diese dann abgeben.      

 Das Ergebnis dieses Prozesses war der Wunsch nach mehr Begegnungsräumen. Nach der Zustimmung von vier von fünf Fraktionen des Gemeinderates, wurde zusammen mit der Firma „Nonconform“ ein Konzept zur Wiederbelebung der Ortsmitte erarbeitet und ein Hauptberuflicher „Kümmerer“, also Projektmanager, für dieses Vorhaben eingesetzt.

Um die Menschen wieder auf das alte Zentrum aufmerksam zu machen, wurde dort ein großes Sommerfest mit allen verbliebenen Gewerben veranstaltet. Bei Start des Projektes gab es in der Innenstadt 35 zu verpachtende Läden, die nach und nach mit lokalen Nischengewerben gefüllt wurden, da große Firmen sich heutzutage nicht mehr in kleinen Städten ansiedeln.

Ein schönes Beispiel hierfür ist die neue Musikschule, die in ein leerstehendes Bankgebäude in der Innenstadt umgezogen ist. Die Zahl der Schüler wuchs auf 400. Das bedeutete auch mehr Kunden für die Läden im Zentrum, wenn die Schüler mit ihren Eltern nach dem Unterricht noch in der Stadt bummeln gingen. Die Musikschule besitzt im Eingangsbereich große Türen, die sich nach außen öffnen lassen. Dadurch ist es möglich, im Sommer Konzerte auf der Straße zu geben. Vor der Schule befindet sich bewusst kein Parkplatz, sondern nur ein Haltestreifen.

Zur Belebung des Ortskernes von Trofaiach gehört auch die Verdrängung von Autos aus dem Zentrum durch mehr Angebote für Fußgänger und Fahrradfahrer. In der Hauptstraße wird ein Sommerkino veranstaltet, die Blumenbeete in der Innenstadt wurden durch Gemüsegärten ersetzt, die von den Einwohnern gepflegt werden, der Karnevalsumzug wurde ins Zentrum gebracht und es wurden begrünte Sitzgelegenheiten errichtet.           

Durch die Verminderung der Parkplatzanzahl, musste nach Lösungen zur guten Erreichbarkeit der Ortsmitte gesucht werden. Es fahren nun Busse im 15 Minuten – Takt zur Bezirkshauptstadt und stündlich fährt ein Citybus. Die Preise werden bewusst niedrig gehalten.

Früher gab es viel Verkehr in der Innenstadt, jetzt ist sie in sogenannter „Shared – Space“. Das heißt Autos, Radfahrer und Fußgänger teilen sich den verfügbaren Platz. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 20 km/h und auf die Straße wurde ein schönes Muster aus weißen und gelben Streifen aufgetragen. Letztere stellen die Fahrbahnmarkierung dar. Dies hat zum einen den Zweck, eine Wohnzimmer – Atmosphäre zu schaffen, wie ein Teppich, der ausgerollt wird. Zum anderen soll die Autodurchfahrt dadurch schwierig gestaltet werden, da die Autofahrer etwas Ungewohntes vor sich sehen und deshalb automatisch abbremsen.

Des Weiteren wurde das Projekt jungen Architekten an der Universität vorgestellt. Von ihnen kam der Vorschlag, die Gebäude im Ortskern nicht als einzelne Gebäude, sondern als ein Gebäude anzusehen. Man solle Vereine und Gewerbe im Erdgeschoss ansiedeln und im Dachgeschoss Wohnen für junge Leute anbieten. Drei Eigentümer waren bereit, diesen Vorschlag auszuprobieren und weiter zu planen. Die zweite Idee war, ein paar Gebäude zu entfernen, so Platz zu schaffen und einen der drei Bäche, die durch Trofaiach fließen ins Zentrum umzuleiten, um eine gemütliche Atmosphäre zu erzeugen.

Außerdem wurde ein Wettbewerb für innovative Unternehmer ausgeschrieben. Wer eine gute Idee für ein einfallsreiches Gewerbe hatte, konnte seinen Vorschlag bei der Stadt einreichen, für die Gewinner wurden von der Kommune die Ladenmiete und von der Stadt der Strompreis übernommen. Es gab zwölf Bewerber, drei wurden prämiert und bald eröffnet ein neuer Sportladen mit Nischenprodukten in der Ortsmitte von Trofaiach.

Allerdings gibt es keinen Forstschritt ohne Rückschritt: kürzlich musste ein Mobilfunkladen in der Innenstadt schließen.      





Forum 4: Parklets als Begegnungsräume   

mit Hanka Griebenow, Mitinitiatorin der Parklets für Stuttgart      



Angefangen hat alles mit dem Park(ing) Day. Nach seinen Anfängen in San Francisco fand dieser 2012 erstmalig in Stuttgart statt. Hanka Griebenow, die Leiterin dieses Forums, war damals in die Organisation involviert. Während der Veranstaltung keimte die Idee, sich für das Errichten von Parklets einzusetzen. Hinter einem Parklet steht der Wunsch, öffentliche Räume nicht wie bisher vor allem für den stehenden oder fahrenden PKW-Verkehr zu nutzen, sondern teilweise an die zu Fuß gehende Bevölkerung zurückzugeben, sodass dort Platz zum Verweilen und Begegnen entsteht. Konkret bedeutet dies, dass für einen Zeitraum von meist einigen Wochen bis Monaten ein oder mehrere Parkplätze als Aufenthaltsort genutzt werden können, indem sich dort Sitzgelegenheiten befinden. Je nach Parklet werden diese um Sandkästen, Tauschregale, Bepflanzungen und vieles mehr ergänzt.

Nach der Geburt dieser Idee folgte die Kontaktaufnahme mit der Stadt Stuttgart. Im Rahmen des Reallabors für Nachhaltige Mobilitätskultur der Uni Stuttgart waren solche Experimente bereits geplant, man stieß also auf positive Resonanz bei den ersten Gesprächen. Parallel dazu stieß Hanka Griebenow darauf, dass manche Stuttgarter Studierende ganz unkonventionell ohne Sondergenehmigung einen Parkplatz für sich beanspruchten und so ihr Wohnzimmer nach draußen verlegten. Dies stieß tagsüber auch auf keinen Widerstand, lediglich nachts, als die Musik lauter wurde, riefen Anwohner*innen die Polizei wegen Lärmbelästigung und infolgedessen musste auch der Parkplatz wieder freigegeben werden. In Gesprächen mit diesen Studierenden entstanden weitere Ideen für die Umsetzung. Konkret wurde das Projekt „Parklets für Stuttgart“ im Sommer 2016 als Realexperiment in Zusammenarbeit mit dem Städtebauinstitut, dem Reallabor für Mobilitätskultur der Uni Stuttgart und der Stadt Stuttgart durchgeführt. Ideengeber*innen für die verschiedenen Entwürfe der Parklets waren hierbei Stuttgarter Architekturstudierende. Im Rahmen eines Seminars erfolgte neben der Konzeptionierung von insgesamt elf verschiedenen Parklets auf insgesamt vierzehn Parkplätzen auch eine Standortanalyse, an welchen Stellen diese gut platziert waren.

In diesem Prozess wurden von Hanka Griebenow und ihren Kolleg*innen Pat*innen für die Parklets gesucht. Diese lokalen Akteur*innen – Bürger*innen, benachbarte Geschäfte, Bürgervereine – wurden in den Entwicklungsprozess miteinbezogen. Im Anschluss sollten sie durch die Pflege „ihres“ Parklets Verantwortung für ein kleines Stück öffentlichen Raum übernehmen. Je nach Lage waren auch die Anforderungen an die Parklets sehr verschieden, beispielsweise mussten Parklets in der direkten Innenstadt robust gegen nächtlichen Vandalismus konstruiert sein. So kamen ganz unterschiedliche Parklets an ganz unterschiedlichen Orten zustande. In Kooperation mit einem Yogastudio entstand eine kleine Ruheoase mit Sandkasten und Tauschregal, ein weiteres diente neben der Aufenthaltsmöglichkeit auch für einen Stellplatz für ein Lastenfahrrad.

Die Ergebnisse waren weitestgehend positiv. Bei einem Parklet in der Innenstadt fanden sich in direkter Umgebung ein Eisladen, ein Asia-Imbiss und weitere Geschäfte ohne Sitzmöglichkeit. Der Pate, ein Bekleidungsgeschäft, konnte in seinen Umsätzen ein Plus von 18% verzeichnen. Auch viele weitere Parklets wurden sehr gut angenommen, Studierende verlegten ihre Wohnzimmer nach draußen, die arbeitende Bevölkerung verbrachte ihre Mittagspause im nahegelegenen Parklet. Das Parklet am Schützenplatz stieß auf besonders große Resonanz, da es dort bisher keinen Ort zum gemeinsamen Verweilen gab. Der sehr engagierte Pate schaffte es hier mit regelmäßigen Brunches und Grillabenden aus der anonymen Nachbarschaft eine Gemeinschaft zu machen. Hieraus hat sich sogar ein Verein zur Umgestaltung des Schützenplatzes entwickelt.

Nach der Testphase von 3 Monaten ist das Parklet am Schützenplatz als einziges in Verlängerung gegangen. Nicht nur das, es konnte sich dabei sogar auf 17 Parkplätze ausweiten. Auf der größeren Fläche finden neben den bisherigen Veranstaltungen Theaterstücke, Workshops und vieles mehr statt.

Das Konzept der Parklets hatte und hat jedoch zahlreiche Hürden zu überwinden. Obwohl die Stadt Stuttgart anfangs von den Konzepten begeistert war, wurden eingehende Anträge für Parklets nicht angenommen. Stattdessen musste doch erst ein entsprechender Beschluss im Gemeinderat erfolgen. Nachdem dieser im Frühjahr dieses Jahres einer zweijährigen Testphase zustimmte, können die Anträge allerdings auch jetzt nicht bearbeitet werden, da der Stadt die entsprechenden Kapazitäten zur Bearbeitung fehlen. Es ist allerdings zu hoffen, dass nach dem Beschluss des Doppelhaushalts zwei neue Stellen geschaffen werden, die explizit für öffentliche Räume zuständig sind. Auf der Website der Stadt Stuttgart sind inzwischen Anforderungen zu finden, die an ein solches Parklet gestellt werden. Der finanzielle Aufwand, welcher auf eine interessierte Person zukommt, variiert. Während ein Stellplatz für Anwohner*innen lediglich 30 €/Jahr kostet, muss für ein Parklet eine Sondergenehmigung für 100 € erworben werden. Zusätzlich müssen noch Versicherungen wie beispielsweise eine Veranstalterhaftpflicht abgeschlossen werden, wenn

Aufgrund der Komplikationen im Bereich Parklets wurden parallel dazu eine andere Idee weiter vorangetrieben: die Wanderbaumallee. Hierbei gibt es ähnlich wie bei den Parklets verschiedene Module mit insgesamt 10 Bäumen, die sich über fünf bis sechs Parkplätze erstrecken. Alle drei bis vier Wochen wechselt die Baumallee ihren Standort. Erstaunlich ist, dass die Organisator*innen hierbei im Vergleich zu den Parklets auf weniger Kritik stießen und stoßen. Hanka Griebenow erklärt sich dies damit, dass sich vermutlich im Angesicht der aktuellen Klimasituation kaum jemand traut, etwas gegen Bäume zu sagen.

Es bleibt zu hoffen, dass sich beide Projekte positiv weiterentwickeln können und Stuttgarts Einwohner*innen die Chance haben, öffentliche Räume in erster Linie als Orte zum Zusammenkommen, Begegnen und Verweilen erfahren zu können.





Forum 5: light at sportsnight – Freiräume für Jugendliche in der Großstadt       

mit Robert Pechhacker, Vertreter der Arbeitsgemeinschaft Friedenspädagogik e.V., Netzwerk Jugendbeteiligung im Stadtbezirk 16 – München und Young City Movement

Was brauchen Jugendliche, wenn es um Partizipation geht? Trotz hoher Quoten an Jugendlichen in München nehmen sie kaum an Entscheidungsprozessen teil. Wie bekommen wir ihr Anliegen sichtbar? Nachdem wir uns diese Fragen zu Beginn gestellt hatten, stiegen wir mit einem Video in den konkreten Fall in München ein. Das Netzwerk Jugendbeteiligung im Stadtbezirk 16 wird von der Freitzeitstätte Come In (KJR), dem BildungsLokal Neuperlach (RBS) und der Arbeitsgemein-schaft Friedenspädagogik unterhalten und steht in enger Zusammenarbeit mit den jungen Erwachsenen von Young City Movement. Das gemeinsame Ziel ist es, Jugend und Politik zusammenzuführen. Häufig haben die Jugendlichen lange Schulzeiten bis 17 Uhr, weshalb sie im Winter kaum noch Zeit zum Skaten im Hellen haben. Daher war es ihnen ein großes Anliegen, dass der Skateplatz beleuchtet wird.   

4 Jahre zuvor ging man an die Schulen und um herauszufinden welche Anliegen die Jugendlichen haben, stellte man ihnen drei Fragen: „Was gefällt dir?“, „Was gefällt dir nicht?“ und „Was willst du verändern?“. Im Rahmen von Workshops versuchte man die Jugendbeteiligung zu erhöhen, doch die Schwelle zu solchen Treffen zu gehen war sehr hoch und viele trauten sich nicht. Heute sieht Herr Pechhacker die Partizipation von Jugendlichen bereits anders. Schon wenn sie an der Veranstaltung Light at Skatesnight teilnehmen, partizipieren sie ebenso wenn sie sich eine Bank in der Stadt aneignen und zeigen ihre Teilhabeansprüche; nur eben auf andere Weise als es Erwachsene tun.       

Zurück zum Fall konnte in einem Video von einem jugendlichen Youtuber die Veranstaltung Light at Skatesnight erlebt werden, welche vom Bezirksausschuss gefördert wurde, um zu zeigen, wie gut die Beleuchtung des Skateplatzes bei den Jugendlichen und Erwachsenen ankommt. Es war ein voller Erfolg: Es kamen 500 Leute, die Jugendlichen hatten Spaß, es fanden Wettbewerbe wie „Skill and race“ statt und es wurden die restlichen Stimmen der 580 Unterschriften für die Online Petition gesammelt. Insgesamt fanden drei solche Abende statt.             

Bei der Diskussion wurde noch genauer auf die Vorgehensweise eingegangen. Was mit einem Antrag von zwei Jugendlichen beim Bezirksausschuss begann, wurde an die Stadtverwaltung weitergeleitet, welche ihnen ihre Bedenken mitteilte. Das Weiterleiten der 580 gesammelten Unterschriften an den Oberbürgermeister, die temporäre Beleuchtung im Rahmen der gelungenen Veranstaltung „Light at sportsnight“ und der Besuch der Spielraumkommission konnten die Stadtverwaltung umstimmen. Durch eine glückliche Fügung war es geschafft und die Skate- und Sportanlage im Gefilde ist nun die erste ihrer Art mit Beleuchtungsanlage in München.       

Schließlich wurde noch die Eröffnungsrede des Bürgermeisters gezeigt, welcher betonte, dass Andrang und Lärmschutz funktionieren müssen, damit man dann schauen kann, bei welchen weiteren Anlagen eine Beleuchtungsanlage Sinn machen würde. Die Skate- und Sportanlage im Gefilde ist somit ein Pilot-Projekt von dessen Ausgang weitere Beleuchtungsanlagen abhängig sind.

Dieser Ort war hierfür besonders gut geeignet, da er keine direkt angrenzenden Nachbarn hat, dennoch sollten jegliche mögliche Konflikte vermieden werden und die AKIM „Allparteiliches Konfliktmanagement in München“ verschickte sogar Nachbarschaftsbriefe mit möglichen Ansprechpartnern. Ein weiterer Grund ist, dass hier durch gemeinsamen Sport und Bewegung unterschiedliche Bildungsschichten zusammenkommen. Das ist es, was sozial erwünscht ist. Andere Anliegen von Jugendlichen wie Orte zum Chillen oder zum Shisha rauchen sind das nicht, wodurch es schwer ist hierfür geeignete Argumente zu finden.

Während der Diskussion kam unter anderem die Frage auf, ob es in München einen Jugendrat bzw. ein Jugendbudget gibt, wie es beispielsweise in Regensburg der Fall ist. Beides musste vom Referenten verneint werden: Es gibt nur eine Stadtschülervertretung, welche sich jedoch mehr um schulische Anliegen kümmert und nur ein Budget für Mikroprojekte, welche für einen Light-at-sportsnight-Abend nie gereicht hätte.            

Wir dachten über weitere mögliche öffentliche Räume im Winter für Jugendliche nach und mussten feststellen dass es viel zu wenige gibt. Viele fühlen sich auch in Shopping Malls sicher, sie können sich wie Erwachsene benehmen und sehen eine bunte Welt, welche jedoch kommerzielle Räume darstellen. Viele Treffpunkte befinden sich aber auch auf Privatgrund. Tritt ein Problem auf, ist die Bank bzw. die Tischtennisplatte schnell abmontiert und sie müssen weiterziehen.   

Abschließend hielten wir fest, dass auch die Zeit ein großer, die Partizipation der Jugendlichen beeinträchtigender Faktor ist, da die Jugendlichen sich nicht dafür einsetzen wollen, dass ihre eigenen Kinder und nachfolgende Generationen eine Beleuchtung haben. Vom Antrag bis zur Beleuchtung dauerte es über zwei Jahre, was einen längeren Zeitraum darstellt. 

Würzburg 8_Podiumsdiskussion

In der abschließenden Diskussion mit allen Referierenden der Workshops wurde noch einmal betont, dass die Gestaltung des öffentlichen Raumes inklusiv erfolgen muss. Es müssen alle Gruppen, auch Jugendliche angesprochen werden und es darf nicht in einer Kommerzialisierung des öffentlichen Raumes enden. 

Die Veranstaltung hat einen sehr interessanten Einblick in das Thema öffentliche Räume gegeben. Neben innovativen Lösungsansätzen hat sie vor allem gezeigt, dass es sehr wichtig ist, den Raum in der Stadt und auf dem Land nicht für irgendwelche Verkehrsmittel und Anonymität zu gestalten, sondern für den Menschen und das soziale Miteinander. Als Raum des Austausches ist öffentlicher Raum unverzichtbar und eine positive, integrative Gestaltung kann zu einem entspannteren Miteinander führen.



Bericht: Chantal Beck, Gabriel Dwerek, Franka Gerke, Jonas Jarass, Stefan Kukla, Anna Lehner, Maxi Noack, Linda Weggler

 

Referent*innen:

Mario Abl

Bürgermeister Stadtgemeinde Trofaiach (Steiermark)

Klaus Börngen

Bürgermeister von Göpfersdorf (Thüringen), Träger des Quellenhof e.V.

Hanka Griebenow

Mitinitiatorin der Parklets für Stuttgart

Korbinian Kroiß

nonconform, Büro Bayern

Karolina Petz

Gehl – Making Cities for People, Architektin, Kopenhagen

Elisabeth Schönrock

Referentin »Demokratiestärkung im ländlichen Raum«, Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement, Berlin

Tina Siebeneicher

Stadträtin, Sprecherin für Asyl, Migration und Jugendpolitik, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Dresden