Der Fachtag zeigte auf, welche Rechte und Hürden in Bezug auf die Umsetzung der Istanbul Konvention hinsichtlich Asyl- und Aufenthaltsrecht existieren. Die Möglichkeiten selbstorganisierter migrantischer Unterstützungs- und Solidaritätsangebote wurden ebenso wie der Zugang zum Ausbildungs- und Arbeitsmarkt für geflüchtete Frauen aufgezeigt. Was dies mit Gewaltschutz zu tun hat und welche strukturellen Hindernisse bestehen, wurde während der Vorträge diskutiert.
Die Istanbul Konvention gilt für alle Frauen!
Nach einer kurzen Begrüßung fassten Simone Eiler und Nadine Kriebel, Mitarbeiterinnen beim Bayerischen Flüchtlingsrat, Projekt We talk! die Bedeutung der Istanbul Konvention für die flüchtlingspolitische Arbeit zusammen.
Das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul Konvention) ist vor fünf Jahren in Deutschland in Kraft getreten. Damit geht die Verpflichtung einher, auf allen staatlichen Ebenen jeglicher Form der Gewalt gegen Frauen vorzubeugen und sie zu bekämpfen. Der Gewaltbegriff nach der Istanbul Konvention umfasst neben Schutz vor sexualisierter Gewalt und/oder Partnerschaftsgewalt u.a. auch die ökonomische Unabhängigkeit. Sie richtet sich explizit an alle Frauen unabhängig vom Aufenthaltsstatus und ist diskriminierungsfrei umzusetzen. In der Praxis wird die Istanbul Konvention zum Schutz von geflüchteten Frauen jedoch viel zu selten beachtet oder ihre Umsetzung durch asyl- und aufenthaltsrechtliche Bedingungen verhindert. Gesamtgesellschaftlich - und gerade auch in der Arbeit mit geflüchteten Frauen - ist die Konvention ein wichtiges politisches Instrument. Sie ist eine weitere Grundlage und Argumentationshilfe, um Rechte und Zugänge im asyl- und aufenthaltsrechtlichen Bereich sowie zur Umsetzung von Gewaltschutz für geflüchtete Frauen einzufordern. Die Istanbul Konvention setzt in den Artikeln 59-61 fest, dass ein eheunabhängiger Aufenthaltstitel sowie geschlechtssensible Asyl- und Aufnahmeverfahren gewährleistet sein müssen und Gewalt gegen Frauen ein Asylgrund nach der Genfer Flüchtlingskonvention ist. Seit Februar 2023 gilt die Istanbul Konvention ohne Vorbehalte der Bundesregierung. Es stellt sich die Frage, ob dies neue Handlungsspielräume in der Praxis schafft. Auch gibt es am Institut für Menschenrechte in Berlin eine neu geschaffene Stelle, die die innerstaatliche Umsetzung der Istanbul Konvention beobachtet und Daten erhebt.
Claire Deery ist Fachanwältin für Migrationsrecht und u.a. spezialisiert auf die Anerkennung geschlechtsspezifischer Verfolgung im Asylverfahren.
Am Vormittag gab sie einen Überblick über die rechtlichen Grundlagen geschlechtsspezifischer Verfolgung und erläuterte, was für die rechtliche und beraterische Praxis notwendig ist. Claire Deery hat dazu gemeinsam mit dem Paritätischen Gesamtverband eine Arbeitshilfe veröffentlicht: „Geschlechtsspezifische Verfolgung und Durchsetzung von geschlechtsspezifischen Rechten im Asylverfahren“
Grundsätzlich kann geschlechtsspezifische Verfolgung für die Flüchtlingsanerkennung über das Merkmal „Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe“ §3 Abs. 1 AsylG geltend gemacht werden. Diese Zugehörigkeit als Frau wird vom BAMF allerdings kaum anerkannt. Auch in der Rechtssprechungspraxis spiegelt sich die Anerkennung dieses Merkmals nicht wider.
Aus einer kleinen Anfrage der LINKEN von 2021 geht hervor, dass nur knapp 3,2% der Asylanträge positiv aufgrund geschlechtsspezifischer Fluchtursachen entschieden werden.
Zudem werden relevante Schutzgründe während des Asylverfahrens oft nicht vorgetragen. Scham, mangelnde Umsetzung von geschlechtssensiblen Interviews, Nicht-Wissen oder Angst vor Repression können das Vortragen von Gründen wie sexualisierter Gewalt, Homosexualität, FGM/C (Verletzung des weiblichen Genitals), Partnerschaftsgewalt oder Diskriminierung allein aufgrund des Frauseins im Asylverfahren erschweren oder unmöglich machen. Falls nach dem Interview im Kontakt mit den Frauen Anhaltspunkte für geschlechtsspezifische Verfolgung deutlich werden, sind auch diese noch beim BAMF nachzutragen. Wichtig ist dabei dem BAMF gegenüber klarzumachen, mit welchen (gesellschaftlichen) Zwängen weiblich gelesene Personen konfrontiert sind und dass diese das Vortragen der Gründe während des Interviews verhindert haben können. Hinzu kommt, dass gerade Gewalt, die im häuslichen Umfeld oder durch den Partner stattfindet, als „privat“ eingeordnet wird und für die Schutzgründe als vermeintlich irrelevant gilt. Doch es geht auch darum, ob und wie Staaten Frauen vor geschlechtsspezifischer Gewalt, die meist im privaten Umfeld stattfindet, schützen. Auch das Konzept der „verwestlichten Frau“ kann vorgetragen werden, wodurch aufgrund ihrer Lebensweise massive Verfolgung im Herkunftsland drohen würde. Dies sei laut Deery schwierig zu beweisen, jedoch durchaus möglich.
Zudem ist es möglich und empfehlenswert, eine Vertrauensperson zu der Anhörung beim Bundesamt mitzunehmen und eine Sonderbeauftragte zu beantragen. Es gibt auch die Möglichkeit, auf eine Dolmetscherin zu bestehen. Auch wäre es gut, die Betroffenen auf die Frage vorzubereiten, warum sie nicht zur Polizei gegangen seien - was für viele Frauen in ihren Herkunftsländern nicht möglich ist, weil die Institution sie generell nicht schützt, weil sie als Minderheit diskriminiert und nicht ernst genommen werden oder keinen Zugang zu Schutzmöglichkeiten wie einem Frauenhaus haben.
Als wichtige Arbeitsmethode wies sie darauf hin, nach aktuellen Gerichtsentscheidungen zu geschlechtsspezifischer Verfolgung zu recherchieren wie zum Beispiel in der Entscheidungsdatenbank von asyl.net.
Im zweiten Teil ihres Vortrags widmete sich Claire Deery der rechtlichen Situation geflüchteter Frauen nach dem Asylverfahren.
Folgende Fragen wurden erörtert: Wie gestaltet sich die aufenthaltsrechtliche Situation von Frauen nach einer Trennung, wenn sie einen an den Partner gebundenen Aufenthaltsstatus haben? Welche aufenthaltsrechtlichen Perspektiven sind möglich? Inwiefern widerspricht die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften der Istanbul Konvention? Welche Möglichkeiten gibt es bei partnerschaftlicher Gewalt?
Viele Frauen haben Angst sich zu trennen, auch wenn sie Gewalt durch ihren Partner erleben. Ein Grund dafür ist auch die Angst den Aufenthaltstitel zu verlieren, z.B. weil er wie bei Familiennachzug und Familienasyl direkt an den Partner gebunden ist.
Ein großes Problem in der Praxis ist die Härtefallregelung beim sog. ehegattenunabhängigen Aufenthaltsrecht nach § 31 AufenthG. Personen, die als Ehegatt:innen in Deutschland leben und von partnerschaftlicher Gewalt betroffen sind, können einen Härtefall geltend machen und somit vor Ablauf der dreijährigen Ehebestandszeit einen eigenständigen Aufenthaltstitel in Deutschland beantragen. In der Praxis gibt es jedoch große Hürden bzgl. der Glaubhaftmachung und Nachweiserfordernis. Viele der Betroffenen verbleiben daher in der gewaltvollen Beziehung.
Laut Deery steigt für Frauen auch nach der Trennung die Chance auf eine Bleibeperspektive, da mangelnde Anerkennung alleinstehender Frauen in ihren Herkunftsländern als geschlechtsspezifisches Verfolgungsmerkmal in einem eigenen Asylverfahren vorgetragen werden kann. Außerdem gibt es verschiedene Möglichkeiten in andere Aufenthaltserlaubnisse zu wechseln, z.B. in den §104c AufenthG oder die Aufenthaltserlaubnisse nach §25a oder §25b AufenthG. Dabei ist aber fraglich, inwieweit die Frauen (vor einer Trennung bzw. überhaupt) Zugang zu Deutschkursen oder Arbeit hatten und die Voraussetzungen für einen weiteren Aufenthalt erfüllen können. Fachberatungen für Frauen vor oder während der Trennung ihres Partners sind auf asyl.net oder bei bff – Frauen gegen Gewalt e.V. zu finden. Auch der Bayerische Flüchtlingsrat kann zu dem Themenbereich Beratung anbieten.
Die Unterbringung geflüchteter Frauen in Gemeinschaftsunterkünften entspricht selten den Gewaltschutzkonzepten. Zimmer sind nicht absperrbar, es gibt keine Privatsphäre, keine Gesundheitsaufklärung, die Infrastruktur verhindert Teilhabe und sogenannte Integration in vielerlei Hinsicht. Die Istanbul Konvention kann hier der Schlüssel sein, vieles zu verbessern.
Bei Gewalt gegen Frauen in ANKER- oder Gemeinschaftsunterkünften können Frauen trotz Wohnsitzauflage in ein Frauenhaus gehen, auch wenn dies in einem anderen Landkreis liegt. Falls die Ausländerbehörden sich querstellen, kann mit der Istanbul Konvention argumentiert werden (direkt zitieren!). Die Finanzierung für einen Aufenthalt im Frauenhaus läuft während des Asylverfahrens über die Sozialämter, nach dem Asylverfahren mit einer Aufenthaltserlaubnis über die Jobcenter. Weitere Infos zur Finanzierung des Frauenhausaufenthalts für geflüchtete Frauen gibt es in der Broschüre der Frauenhauskoordinierung „F.A.Q. – Häufig gestellte Fragen an der Schnittstelle Gewaltschutz und Flucht“.
Schutz vor Ausweisungen während und nach einer Trennung kann der §59 Abs. 7 AufenthG bieten. Darüber kann eine Duldung für mindestens drei Monate beantragt werden, die der Betroffenen Sicherheit und Bedenkzeit ermöglichen soll. In dieser Zeit kann die Frau abwägen, ob sie den Täter anzeigen möchte bzw. aussagen will. Dies gilt in Fällen von Menschenhandel, Zwangsarbeit und Zwangsprostitution und kann möglicherweise auch auf psychische Gewalt und Partnerschaftsgewalt angewendet werden. §59 Abs. 7 AufenthG wird selten angewendet, da er den Behörden oftmals nicht bekannt ist oder noch Kontakt zum Täter besteht. Auch hier kann die Istanbul Konvention als unmittelbar anwendbares Recht zu Hilfe genommen werden.
Materialien zu der Präsentation von Claire Deery:
Die Präsentation von Claire Deery zu „Geschlechtsspezifischer Verfolgung“ finden Sie hier >>>
Wichtige Links:
Schattenbericht der Flüchtlingsräte und Pro Asyl zur Umsetzung der Istanbul Konvention
Berichterstattungsstelle Institut für Menschenrechte
Arbeitshilfe zur Durchsetzung von geschlechtsspezifischen Rechten im Asylverfahren
Kleine Anfrage der LINKEN zur Anerkennung geschlechtsspezifischer Fluchtursachen
Datenbank Asyl.net zu Gerichtsentscheidungen
Gerichtsentscheidung des VGH Bayern zu geschlechtsspezifischer Verfolgung einer jemenitischen Frau
Weitere Informationen zu den Gewaltschutzkonzepten der Bundesländer, Modellprojekten rund um das Thema Gewaltschutz in Unterkünften sowie interessanten Publikationen und Studien finden Sie auf der folgenden Website: https://www.gewaltschutz-gu.de/
Gewaltschutzkonzepte und Anhörung im Bayerischen Landtag:
Expert:innenanhörung im Bayerischen Landtag vom 24.11.2022 – Artikel in der SZ
Weitere Informationen zum Antrag und der Anhörung finden Sie hier
Doris und Grace, Aktivistinnen von Women in Exile & Friends e.V. berichteten von der Situation in Geflüchtetenunterkünften, ihren Empowermentworkshops sowie solidarischen Strukturen innerhalb der Selbstorganisation und im Unterstützer:innen-Netzwerk. Women in Exile e.V. hat sich 2002 in Brandenburg als Initiative geflüchteter Frauen gegründet, um für ihre Rechte zu kämpfen. Sie haben eine Plattform für die Themen geflüchteter Frauen geschaffen. Die Frauen haben die Erfahrung gemacht, dass geflüchtete Frauen in doppelter Hinsicht von Diskriminierung betroffen sind: Sie werden als Asylbewerberinnen* durch rassistische Gesetze ausgegrenzt und als Frauen* diskriminiert.
Seitdem tragen Women in Exile durch verschiedene Aktionen zu gesellschaftlicher Sensibilisierung, politischer Bildung und vor allem zum Empowerment geflüchteter Frauen* bei.
Ein Teil ihrer Arbeit sind Besuche in Geflüchtetenunterkünften. Durch die eigene Betroffenheit haben die Aktivistinnen von Women in Exile einen direkten und vertrauensvollen Zugang zu den geflüchteten Frauen in den Unterkünften. Doris und Grace berichteten von der Situation in den Camps während Corona: Durch Auflagen und social distancing wurde die sowieso schon vorhandene Isolation in den Camps massiv verstärkt. Bedarfe für das tägliche Leben wie Windeln und Milchpulver für die Kinder wurden den Bewohnerinnen teilweise nicht gestellt. Informationen über die Pandemie wurden sprachlich und inhaltlich nicht zur Verfügung gestellt. In dieser Zeit haben Women in Exile Aufgaben der Grundversorgung übernommen und die Frauen in den Lagern mit Dingen des täglichen Bedarfs (Essen, Internetzugang, Hygieneartikel usw.) und notwendigen Informationen versorgt.
Nicht nur in Brandenburg sind sie aktiv. Mit ihrer Bustour Women* breaking borders haben sie auch Unterkünfte in Süddeutschland besucht und mit geflüchteten Frauen gesprochen. Die Probleme sind überall gleich: Isolation und Ausgrenzung, rassistische und sexualisierte Gewalt, Einschränkung der Mobilität. Sie betonen die Problematik der Unterbringung an sich: den nicht-vorhandenen strukturierten Tagesablauf, die vielen verschiedenen Personen, die in den Camps arbeiten und leben, der tägliche Kampf um Räume wie Gemeinschaftsküchen und sanitäre Anlagen.
Außerdem berichteten die Aktivistinnen von einem Femizid an einer geflüchteten Frau. Erst Monate nach der Vermisstenanzeige wurde die Frau in Brandenburg nur 200 m von ihrer Unterkunft entfernt tot aufgefunden. Der Umgang mit dem Mord und der mangelnden Aufklärung zeigen strukturelles Versagen. Women in Exile leisteten in diesem Fall einen Großteil der Erinnerungs- und Öffentlichkeitsarbeit und der Verarbeitung der Geschehnisse. Sie fordern die Aufklärung des Mordes und weisen auf die vielfache sexualisierte Gewalt gegen geflüchtete Frauen in den Unterkünften hin, die von Behörden und der Polizei nicht ausreichend ernst genommen und geahndet wird.
Women in Exile bieten zudem Workshops an. Sie vermitteln Informationen zu medizinischen Strukturen und solidarischen Anwält:innen, die für geflüchtete/ illegalisierte Frauen ansprechbar sind. Die Workshops und Treffen sind auch ein safe space, in dem Probleme und diskriminierende Erfahrungen miteinander geteilt werden. Die Workshops finden in den Unterkünften, online und auf Anfrage deutschlandweit statt.
Durch öffentliche Proteste und viel Mut bewirken Women in Exil eine gesellschaftliche Sensibilisierung und öffentliche Sichtbarkeit der Themen, mit denen geflüchtete Frauen tagtäglich konfrontiert sind.
Ihr Wissen und ihre Erfahrungen verarbeiten Women in Exil in ihrem Newsletter, in einem Gesundheitsmagazin und in ihrem Buch „Breaking Borders to Build Bridges“, das 2022 erschienen ist.
Zentrale Forderungen in der Arbeit von Women in Exile ist die Abschaffung aller Lager, eine rassismuskritische Haltung in der Zivilgesellschaft, ein Abbau von Hürden und Grenzen, um Partizipation und ein selbstbestimmtes Leben für Alle zu ermöglichen. Als Zugangsbarrieren benennen sie die mangelnde Mehrsprachigkeit bei Angeboten und weisen auf die Wichtigkeit von Kinderbetreuung und Niedrigschwelligkeit von Angeboten hin.
Wichtige Links:
Workshopangebot von Women in Exile & Friends
Das Gesundheitsmagazin von Women in Exile & Friends
Das Buch „Breaking Borders to Build Bridges“ von Women in Exile & Friends
Jana Weidhaase vom Bayerischen Flüchtlingsrat hielt im Rahmen des Fachtags einen Vortrag zum Arbeitsmarktzugang für geflüchtete Frauen. Im Rahmen des Fiba+ Netzwerkes arbeitet sie zu struktureller und individueller Verbesserung des Arbeitsmarktzugangs für geflüchtete Frauen mit einer Duldung, vor allem im ländlichen Raum Bayerns.
Gesamtgesellschaftlich gesehen sind zwar fast genauso viele Frauen erwerbstätig wie Männer, jedoch oft nicht zu gleichen Bedingungen. Jede zweite Frau in Deutschland ist in Teilzeit beschäftigt. Gründe dafür sind beispielsweise familienunfreundlich gestaltete Arbeitsplätze, Hauptverantwortung in der Kinderbetreuung und kein finanzieller Mehrwert für die Frauen aufgrund des Ehegattensplittings. Die Beschäftigung in Teilzeit, Mini- oder Midijobs sowie die Arbeit in schlecht bezahlten Branchen, in denen hauptsächlich weiblich gelesene Personen tätig sind, führt dazu, dass Frauen weniger verdienen und oft finanziell abhängig sind. Die Istanbul Konvention sieht ein Recht auf finanzielle Unabhängigkeit als einen wichtigen Aspekt zur Prävention und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen vor.
Geflüchteten Frauen wird darüber hinaus auf mehreren Ebenen der Zugang zum Arbeitsmarkt erschwert. Der Zugang zu Arbeit ermöglicht jedoch gesellschaftliche Teilhabe und kann zur Sicherung des Aufenthaltsstatus beitragen. Sowohl ein sicherer eigenständiger Aufenthaltstitel, d. h. unabhängig von dem Partner, als auch wirtschaftliche Unabhängigkeit sind relevante Aspekte von Gewaltprävention und tragen zu mehr Gleichberechtigung bei.
An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass Frauen in allen gesellschaftlichen, finanziellen, sozialen Schichten mit unterschiedlichsten Bildungsgraden und kulturellen Hintergründen Gewalt erleben: Täter sind meist Männer, vor allem nahestehende wie der eigene Partner (weitere Informationen hier).
Wirtschaftliche Abhängigkeiten oder die Angst um den Verlust der Aufenthaltserlaubnis sind jedoch gravierende Hürden, sich von einem gewaltausübenden Partner zu trennen.
Daher verweist auch die Istanbul Konvention auf die Förderung von Frauen zu wirtschaftlicher Unabhängigkeit und damit dem Zugang zum Arbeits- und Ausbildungsmarkt.
Zu den bereits genannten allgemeinen Hürden für Frauen auf dem Arbeitsmarkt kommen für geflüchtete Frauen folgende Schwierigkeiten hinzu: Wohnsitzauflage, isolierte Unterbringung im ländlichen Raum mit schlechter infrastruktureller Anbindung und aufenthaltsrechtliche Bestimmungen, die Arbeitsverbote beinhalten. Außerdem ist das Aufnehmen einer Arbeit mit guten Deutschkenntnissen verbunden. Doch auch im Zugang zu den Sprachkursen weist das momentane System akute Mängel auf. Es gibt tendenziell zu viel Nachfrage für zu wenig Angebote. Oder Angebote, die nicht auf die Bedürfnisse von Frauen mit Kindern ausgelegt sind. Zum Beispiel gibt es zu wenig Kurse mit Kinderbetreuung. Diejenigen, deren Kinder in Kindergarten oder Schule betreut werden, benötigen wiederum mehr Angebote am Vormittag und haben spätestens in den Ferien Fehltage, weil dann keine Betreuung stattfindet.
Ehrenamtliche Angebote, Freizeitangebote oder Angebote wie Fahrradkurse können darüber hinaus eine wichtige Unterstützung sein und schon niedrigschwellig helfen, Kontakte aufzubauen und Deutsch im Alltag zu lernen. All dies kann helfen, den späteren Einstieg in Deutschkurse zu erleichtern.
In der Beratung von Familien sollte nicht nur mit dem Partner gesprochen werden, sondern auch Einzelgespräche mit der Frau gesucht werden. Auch bei einer geschlechterstereotypen Rollenverteilung, in der die Frau die Erziehungs- und Sorgearbeit leistet, sollte darauf hingewirkt werden, dass sie ebenfalls an Deutschkursen teilnehmen kann usw.
Jana Weidhaase zeigte auf, welche Aufenthaltsmöglichkeiten sich über sogenannte „Integrationsleistungen“, die immer auch Erwerbstätigkeit beinhalten, ergeben können. Sie betonte daher die Wichtigkeit für Frauen, frühzeitig Deutsch zu lernen und sie über diese Möglichkeiten frühzeitig zu informieren.
Die Präsentation von Jana Weidhaase finden Sie hier >>>
Wichtige Links:
WIR – Netzwerke integrieren Geflüchtete in den regionalen Arbeitsmarkt
Beratung zum Thema Arbeitsmarktzugang bietet unter anderem Tür an Tür in Augsburg an
Dieser Rückblick wurde vom Bayerischen Flüchtlingsrat zusammengefasst.