Correctiv auf Tour: Was passiert, wenn Hass regiert?

Die Petra-Kelly-Stiftung war im März mit CORRECTIV in Bayern unterwegs. Unter dem Titel „Correctiv auf Tour: Was passiert, wenn Hass regiert?“ waren wir mit dem Investigativjournalisten Marcus Bensmann vom Recherchenetzwerk CORRECTIV in Rosenheim, Passau und Coburg, um über seine Recherchen zur extremen Rechten in Deutschland zu sprechen. Mit dabei waren außerdem Florian Rieder von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Bayern, Toni Schuberl (MdL Bündnis 90/Die Grünen Bayern) und Johannes Wagner (MdB Bündnis 90/Die Grünen).

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Correctiv Passau Bianca

Bei allen drei Veranstaltungen hatten wir ein volles Haus, was wir auch unseren Kooperationspartner*innen der Bibliothek_A, den Omas gegen Rechts und dem Evangelischen Zentrum in Passau zu verdanken haben.

Im Fokus aller drei Veranstaltungen stand Bensmanns Buch „Niemand kann sagen, er hätte es nicht gewusst“. Darin schildert er die Ideologie der Neuen Rechten und die Pläne der AfD zeigt auf, welche Gefahren das für die Demokratie in Deutschland und Europa birgt. 

Correctiv auf Tour, Passau

Correctiv deckt auf – und ordnet ein

In seinem Vortrag ging Marcus Bensmann über die Enthüllungen zum Geheimtreffen in Potsdam hinaus. Er analysierte die ideologischen Muster, mit denen rechte Akteure versuchen, die liberale Demokratie zu untergraben. Er sprach von einer schleichenden, aber strategisch geplanten Aushöhlungdemokratischer Werte – und formulierte drei zentrale „Bausteine der Brandmauer“, mit denen die Neue Rechte ihre Agenda in der Gesellschaft verankern will:

  1. Völkische Ideologie – Die Vorstellung eines ethnisch „reinen“, von äußeren Einflüssen bedrohten Volkes ist laut Bensmann zentral in der Argumentation rechtsextremer Vordenker wie Martin Sellner. Begriffe wie „Remigration“ erscheinen harmlos, meinen in Wahrheit aber eine millionenfache Vertreibung. 
  2. Verächtlichmachung der Erinnerungskultur – Die gezielte Umkehrung der deutschen Erinnerungspolitik, oft als „180-Grad-Wende“ bezeichnet, ist ein Kernanliegen der Neuen Rechten. 
  3. Kremlunterwerfung – Besonders gefährlich sei die Nähe rechter Akteure zu Russland, so Bensmann. Allerdings gebe es innerhalb der AfD-Basis auch Widersprüche – nicht alle Mitglieder seien automatisch Putin-Anhänger. Umso wichtiger sei es, dass demokratische Parteien diese Verbindungen klar benennen und inhaltlich angreifen, anstatt der AfD zu überlassen, welche Themen gesetzt werden. Die Zusammenarbeit zwischen Trump und Putin sei eine reale Bedrohung für Europa – die Reaktion darauf werde entscheidend sein.

 

Migration: Debatte ja – aber faktenbasiert

Bensmann betonte, dass Migration ein wichtiges politisches Thema sei, das offen diskutiert werden müsse – aber auf Basis von Fakten und nicht durch Angstmache wie in den vergangenen Wochen geschehen. In den meisten Bereichen sei Migration langfristig eine Chance für Gesellschaft und Wirtschaft. Der Schlüssel liege in guter Bildung, sozialer Gerechtigkeit und einer funktionierenden Demokratie.Abschottung hingegen sei keine Lösung.

Correctiv auf Tour - Passau, Marcus Bensmann

„Die liberale Demokratie muss wieder sexy werden“

Freiheit, Meinungsvielfalt und Rechtsstaatlichkeit gibt es nur in einer Demokratie. Doch um verteidigt zu werden, müsse sie wieder attraktiver werden. Demokratische Parteien müssen ihre Ideen konkret vermitteln, ihre Profile stärken und sich auf ihre Zielgruppen fokussieren, statt nur aus der Abwehrhaltung gegen Rechts zu argumentieren.

Trotz der aktuellen Herausforderungen äußerte Bensmann aber auch vorsichtige Zuversicht: Wenn Europa sich der Gefahr durch eine mögliche Zusammenarbeit zwischen Trump und Putin bewusst wird und sich entschlossen dagegenstellt, könne es seine freiheitlichen Werte verteidigen.

In den anschließenden Gesprächsrunden mit Toni Schuberl, Johannes Wagner und Florian Rieder wurde deutlich, wie sehr sich rechte Diskurse inzwischen in Sprache, Medien und parlamentarische Debatten einschleichen. Begriffe mit harmloser Oberfläche, aber gefährlichem ideologischem Hintergrund, gewinnen an Boden – eine Entwicklung, die sowohl im Bayerischen Landtag als auch im Bundestag spürbar ist. 

Besonders eindrücklich war die Diskussion um die Rolle von Social Media: Plattformen wie TikTok werden gezielt zur Meinungsbildung genutzt – Parteien wie die AfD erreichen dort junge Zielgruppen mit hoher Reichweite, während viele andere demokratische Parteien hinterherhinken. Dass es auch anders geht, zeigte das Beispiel der Linken, die mit einer strategischen Social-Media-Arbeit deutlich aufholen konnte. 

Abschließend ging es um die Frage nach einem möglichen AfD-Verbot. Marcus Bensmann betont, dass die Voraussetzungen für eine Prüfung im Grundgesetz historisch bedingt gegeben sind– demnach sollte es angesichts der demokratiegefährdenden Entwicklungen zumindest ernsthaft geprüft werden. 

Insgesamt zeigten die Veranstaltungen, wie dringend es ist, rechte Tendenzen nicht nur zu benennen, sondern ihnen aktiv entgegenzutreten Es ist unabdingbar rechten Parolen im Verein, bei Familienfeiern und auf Social Media etwas entgegenzusetzen oder wie Toni Schuberl sagt: „Es reicht manchmal auch zu sagen: Das glaube ich nicht“