Nachhaltige Landwirtschaft (1/16)

Podcast

Was macht Landwirtschaft nachhaltig? Welche Konzepte gibt es bereits, um Lebensmittelreste zu verwerten und die Logistik zu entlasten? Eine Podcastfolge mit Faustgrob & Piekfein aus Bayern.

Lesedauer: 12 Minuten
Daniel Haser

Faustgrob und Piekfein ist eine Genossenschaft in Bad Bayersoien (Bayern), die aus sechs Freunden entstanden ist und sich sowohl mit der Produktion von Lebensmitteln als auch mit dem Vertrieb und Verarbeitung von Produkten anderer Bauern beschäftigt. Hier werden z.B. alte Brot- und Kaffeereste von umliegenden Bäckereien, Cafés, Hotels und Krankenhäusern entweder an die Schweine verfüttert oder für die Pilzzucht verwendet und das Schweinefleisch und die Pilze wieder lokal verkauft. Das spart Kosten für die Entsorgung von Speiseresten und für die Logistik. Sie haben es geschafft, „die Lebensmittelkette mit Hilfe von Reststoffen um 4 bis 5 Stationen zu verlängern“. Ein Gespräch über zukunftsfähiges Wirtschaften auf dem Land, produziert von der Petra-Kelly-Stiftung in Bayern

 

 Ein Podcast mit:

  • Daniel Haser, Faustgrob & Piekfein

  • Carmen Romano, Petra-Kelly-Stiftung

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Diese Podcastreihe wurde im Rahmen des Verbundprojektes „Wirtschaften mit Zukunft“ konzipiert.

Shownotes:

Faustgrob und Piekfein: https://faustgrob-piekfein.de/

Petra-Kelly-Stiftung: www.petrakellystiftung.de 

Webseite des Verbundprojektes „Wirtschaften mit Zukunft“: https://www.boell.de/de/wirtschaften-mit-zukunft 

 Transkript:

Intro: Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge der Reihe „Böll Regional“, in der wir euch Projekte aus verschiedenen Bundesländern vorstellen. Diese Staffel dreht sich um die Frage nach dem Wirtschaften mit Zukunft. Wir werden dabei Projekte und Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen präsentieren, die uns Wege zu einem nachhaltigen Wirtschaften zeigen.

Carmen Romano: Servus! Ich bin Carmen Romano von der Petra-Kelly-Stiftung in Bayern. Und heute sind wir nach Bad Bayersoien in schönen Voralpenland gefahren, um mit Daniel Haser zu sprechen. Daniel ist Mitgründer von Faustgrob und Piekfein, einer Genossenschaft, die aus sechs Freunden entstanden ist und sich sowohl mit der Produktion von Lebensmitteln als auch mit dem Vertrieb und Verarbeitung von Produkten anderer Bauern beschäftigt. Mehr wird uns aber Daniel gleich erzählen. Wir beschäftigen uns also heute mit nachhaltiger Landwirtschaft. Ich bin ganz gespannt, was wir heute für konkrete Ansätze lernen werden. Ja, danke Daniel, dass du dir die Zeit für uns genommen hast. Kannst du uns vielleicht kurz schildern, wie Faustgrob und Piekfein entstanden ist und aus welchen Bedürfnisse und Vorgeschichten.

Daniel Haser: Also meine Frau und ich haben damals einen landwirtschaftlichen Betrieb aufbaut 2015 und haben dann eine Betriebspause gemacht während der Corona Zeit aufgrund von Überlastung, aufgrund von Problemen, die in der Landwirtschaft auftauchen, mit Hinblick auf Urlaub, mit Hinblick auf Stress. Und während dieser Pause haben wir uns neu strukturiert mit eben sechs Freunden, die inzwischen acht Freunde sind und haben eine Genossenschaft gegründet. Diese Genossenschaft baut auf dem auf, was wir als Landwirtschaft begonnen haben, aber zu besseren Konditionen. Also ich bin jetzt kein selbstständiger Bauer mehr, sondern angestellt bei der Genossenschaft als Produktionsleiter für die Landwirtschaft. Ich habe also mein monatliches Festgehalt, mein Anspruch auf Urlaub und dementsprechend auch mehr Privatleben als als selbstständiger Bauer. Und wir haben nicht nur die Rechtsform geändert, sondern unser ganzes Produktionssystem. Das soll heißen, wir sind weggegangen von der klassischen Boden-gebundenen Landwirtschaft hin zu einer Ressourcen-basierten Lebensmittelproduktion anhand der Ressourcen bei uns innerhalb der Region. Klingt sperrig, aber das Prinzip ist recht einfach. Das heißt, wir holen uns von außen viele Nährstoffe auf den Betrieb, setzen die um in Lebensmittel und haben dementsprechend einen sehr hohen Output an Lebensmitteln. Das heißt, wir arbeiten als Nährstoff Grundlage für die Produktion ausschließlich mit Reststoffen in Form von Altbrot, was wir von Bäckereien und Hotels bei uns in der Region kriegen, in Form von Kaffeesatz, den wir auch von den Hotels und Cafés und Krankenhäusern bei uns in der Region kriegen und züchten darauf Obst und Pilze. Dann nehmen wir noch Grünschnitt aus der Nachbarschaft und von den benachbarten Hotels mit auf als Mulchmaterial und als Nährstoffeintrag fürs Gemüse. Und wir lassen den ganzen Tag Nährstoffe zirkulieren. Das heißt die Schweine kriegen das Altbrot, die Schweine kriegen die Überreste vom Gemüse. Die Schweine kriegen das was bei der Pilzzucht übrig bleibt, inklusive der Substratblöcke. Die Hühner auch. Und dadurch kriegen wir wiederum durch den Mist Nährstoffe, die wir wieder als Grundlage für den Obst und den Gemüsebau nutzen. Und das was beim Gemüse überbleibt geht wieder zu den Schweinen und so zirkulieren die Nährstoffe den ganzen Tag von links nach rechts bei uns und auf dem Weg können wir uns relativ Inflationsfrei bewegen auf dem Markt, weil die Stoffe, mit denen wir arbeiten, schon abgeschrieben sind und wir die umsonst zur Verfügung gestellt kriegen. Und das Ganze sieht so aus: Wir sind zwei Leute Vollzeit in der Produktion angestellt. Wir bewirtschaften ein halbes Hektar Fläche. Dieses halbe Hektar ist komplett überlagert von Obstbäumen, von Holunder und unterhalb der Bäume ist ein Gemüse Acker mit dreieinhalbtausend Quadratmeter und Hühnerhaltung mit eineinhalbtausend Quadratmetern. Und dann haben wir 1/2 Offenstall, also ein Außenklimastall für unsere Schweine. Und dann haben wir dazu noch die Pilzzucht mit dabei. Und so strukturiert sich unser Betrieb und diese ganzen Betriebszweige untereinander arbeiten synergetisch miteinander. Und das führt dazu, dass wir auf unserer kleinen Fläche einen wesentlich höheren Output schaffen durch den Nährstoffeintrag von außen, als wir schaffen könnten von dem, was der Boden alleine mineralisiert.

 

Carmen Romano: Alles klar. Also, ich finde es total spannend, wie ihr damit quasi aus aus einer Krisensituation bemerkt habt, was alles schief läuft in dem System Landwirtschaft, auch aus persönlichen Gründen und dann was total cooles draus gemacht habt. Mich würde interessieren, wie die Cafés, die Restaurants und die Hotels und Krankenhäuser dann auf euer Angebot reagiert haben. War das einfach die als Kooperationspartner zu gewinnen, oder wie war das?

 

Daniel Haser: Es ist tatsächlich recht einfach. Dadurch, dass die Betriebe die Partnerbetriebe, die Bäckereien, die Hotels, die Krankenhäuser sich Entsorgungskosten sparen für diese Rohstoffe, mit denen wir dann wiederum Lebensmittel produzieren. Und dadurch sind Wertschöpfungskreisläufe entstanden. Das heißt, ich gehe zum Parkhotel in Bayersoien, bringt ihnen die Austern Pilze, bringt ihnen Schweinefleisch und nehme dafür Altbrot und wiederum den Kaffeesatz mit. Und so kriegen sie quasi ihre Abfallstoffe in Form von Lebensmitteln wieder zurück in den Betrieb. Und dementsprechend ist es natürlich eine Geschichte, wo es schwierig ist, grundsätzlich dagegen zu sein, weil es bestechend genial ist. Oder es ist nicht genial, es ist normal und natürlich, aber es braucht da keine große Überzeugungsarbeit.

 

Carmen Romano: Okay, finde ich großartig. Vielleicht auch Leute, die sich jetzt diese Folge anhören, werden das sofort in der Praxis anbringen. Ähm, genau. Also was ist dann eure Vision? Und eure Hauptziele? Also, ihr habt das jetzt umgesetzt? Habt ihr Wünsche für die Zukunft? Was ihr damit erreichen möchtet? Auch Einwirkungen auf die Region hier?

 

Daniel Haser: Ja, also unsere Zielsetzung ist vielschichtig. Ein Punkt ist auf jeden Fall die regionale Kulinarik. Also was kann unsere Landwirtschaft, was ist der Geschmack der Region? Was ist die kulinarische Identität unserer Heimat? Das ist einer der Punkte. Das andere ist natürlich, dass die Genossenschaft als Firma geführt von uns Freunden ein Mehrwert im Leben des Einzelnen bietet. Das heißt also unsere Vision Intern ist auf jeden Fall ein gutes Leben für alle, gute Lebensmittel für uns alle und Spaß an der Entwicklung von Ernährung innerhalb der Region. Und natürlich was man nicht vergessen darf, ist eine Genossenschaft. Also jeder Genosse ist automatisch gewinnbeteiligt, das heißt, die Firma gehört den Genossen. Und dementsprechend natürlich, dass jeder seinen Mehrwert auch aus der Tätigkeit hat. Das heißt, es wandert nichts nach irgendwohin ab, sondern alles, was wir erwirtschaften, also an Gewinnüberschüssen erwirtschaften, wird automatisch an die Mitglieder ausgezahlt. Also die Genossenschaft ist keine Rechtsform der Gewinnmaximierung, sondern Zweck der Genossenschaft ist der Dienst an den Mitgliedern und die Vision als Landwirt in dem, was wir jetzt in der Produktion machen, haben wir es geschafft, die Lebensmittelkette anhand der Reststoffe um 4 bis 5 Stationen zu verlängern. Das heißt, wir haben verschiedene Schnittstellen eingeschalten zu den Nährstoffen, um Lebensmittel an Stellen zu produzieren, wo ansonsten nichts mehr zu produzieren gewesen wäre. Und anhand dessen, was wir jetzt angefangen haben. Also es ist nicht so, dass wir jetzt nur an der Oberfläche kratzen, aber in der Tiefe ist noch viel mehr möglich. Ich denke, dass wenn wir den Weg weitergehen anhand der Dinge, die in der Schublade liegen, haben wir sicherlich das Potenzial, die Lebensmittelkette 7/8/9 Stationen zu verlängern und dementsprechend einfach die Produktivität zu steigern. Aber auf der anderen Seite den Ressourcenschutz hochzuhalten, weil jede Stelle, die ich zwischenschalten kann in der Produktion, spart Ressourcen sondergleichen. Und weil, wenn wir diese Stoffe nicht aufnehmen, dann müssen sie an anderer Stellen mit viel Energie wiederum entsorgt oder verkompostiert werden. Und dazwischen ist wieder Logistik. Dazwischen sind wieder LKWs, dazwischen ist wieder viel Energie, die da ins Land geht, um überhaupt mit diesen Abfallstoffe umzugehen. Und von dem her ist unser Bestreben, einfach da genauer zu schauen, in die Tiefe zu graben, wie viel eigentlich möglich ist. Und da ist noch Luft nach oben.

 

Carmen Romano: Würde vielleicht jemand anderes in einem anderen Bundesland beispielsweise euer Projekten nachahmen möchten? Was sind konkrete erste Schritte, die du empfehlen würdest - ja. Also natürlich neben gewisse Hektar an Land zu besitzen, weil das ist ja die Grundvoraussetzung für die Landwirtschaft…

 

Daniel Haser: Ja, Hektare an Land ist tatsächlich ein Thema. Also ich glaube, der durchschnittliche Betrieb in Deutschland ist 64 Hektar groß.

Carmen Romano: Okay.

Daniel Haser: Und wie gesagt, wir produzieren auf einem halben Hektar. Und klar, die Einstiegshürde, die finanzielle Hürde in die Landwirtschaft ist extrem, sehr, sehr hoch. Aber jede Region hat andere Ressourcen, basierend auf den Ressourcen innerhalb unserer Region. Ich denke, das, was wir hier machen, ist nicht eins zu eins zu adaptieren pro Region, sondern bei uns liegt es primär an der Dichte an Gastronomie, an der Dichte an Krankenhäusern auf engem Raum, dass uns diese Ressourcen und viele handwerkliche Bäcker, wo wir wirklich da zusammenarbeiten. Das macht natürlich jetzt unsere Ressourcenbeschaffung aus. Aber wenn jetzt jemand in der Landwirtschaft oder im Gartenbau in die Richtung denken will, dann muss er sich wirklich ganz genau anschauen Was gibt es bei mir in der Region? Gibt es Apfelreste? Gibt es Ernterückstände? Gibt es, wenn ich sage irgendwo große Brauereien, also das sind alles Nährstoffe, die in der Umgebung unterwegs sind, die grundsätzlich zur Verfügung stehen. Molke: Wenn man sagt, man hat jetzt irgendwelche Molkereien in der Nähe und dann ist es auf jeden Fall mit einem hohen Nährstoffaufkommen auch möglich, auf kleinerer Fläche sehr viel zu produzieren. Und was in unserem Fall auch trägt, ist natürlich die Direktvermarktung. Das heißt, wir sind ein völlig autonomer Betrieb. Wir sind frei von Fremdkapital, Wir sind frei von Verbänden, wir sind frei von Subventionen und wir sind frei von Großabnehmern. Und somit haben wir den nachgelagerte Bereich unserer Produkte ziemlich im Griff und dementsprechend auch eine ganz andere Wertschöpfung, als wenn ich jetzt einen Großabnehmer hätte. Soll heißen, dass wenn jetzt jemand im Supermarkt 1 € an der Ladentheke übergibt, dann kommen je nach Produkt aber im Schnitt 20 % beim Bauern an. Wenn ich jetzt aber selber diesen einen Euro krieg, weil ich Direktvermarkter bin, dann brauche ich auch 80 % weniger Fläche. Und ich habe natürlich eine andere Wertschöpfung dann im Betrieb.

 

Carmen Romano: Ja. Äh, vielleicht als abschließende Frage, weil das ist ja das Leitthema unserer diesjährigen Reihe. Worin besteht für euch euer Beitrag zu einem Wirtschaften mit Zukunft?

 

Daniel Haser: Es ist vielschichtig. Also einerseits natürlich kurze Lieferketten und als Beispiel unser Hauptkooperationspartner ist das Parkhotel hier in Bayersoien und das ist Luftlinie 100 Meter von uns weg. Und da kann ich die Sachen sogar mit dem Fahrrad hinfahren. Also kurze Logistik, kurze Lieferketten, das ist natürlich ressourcenschonend. Aber ich glaube, der allergrößte Punkt, den wir tatsächlich haben, ist allein diese Reststoffaufnahme. Das heißt, wir bringen im Jahr um die 18 Tonnen Altbrot wieder in die Lebensmittelkette ein. Das heißt, wenn ich sage, wir an anderer Stelle 18 Tonnen Futter kaufen müssen für die Tiere, was extra dafür produziert wird, was wiederum Logistikketten dazwischen hat und an anderer Stelle das Brot teilweise teuer entsorgt werden muss. Mit Energie, mit Kraftaufwand. Da haben wir auf jeden Fall einen riesen Hebel und mit dem Kaffee und mit dem Grünschnitt im Grunde das gleiche. Und es sind irre Mengen an Lebensmitteln oder organischen Substanzen bei uns in Deutschland unterwegs, die nicht genutzt werden. Das zum einen, und was ein ganz großes Thema bei uns ist, ist die CO2 Kompensation in Form von Humus in Form von Forstkulturen innerhalb der landwirtschaftlichen Produktion. Also einfach hier das CO2 speichern im Boden, im Holz und natürlich frische Lebensmittel, gesunde Lebensmittel, ist fundamental für einen gesunden Körper, für eine gesunde Region und in der Annahme, dass durch unser Tun die Leute vielleicht sich noch mal gesünder ernähren können, ist natürlich. Nachhaltigkeit ist immer Gesundheit und auch die Gewinnverteilung, die Vergesellschaftung von dem, was erwirtschaftet wird. All das sind Themen, die Nachhaltigkeit in der Zukunft definieren werden und ökonomische Teilhabe.

 

Carmen Romano: Ja, ja. Ich bin total begeistert, weil ich finde, euer Projekt bringt nicht nur was zur Entwicklung einer nachhaltigen Wirtschaft, wie du gerade beschrieben hast, mit Kreislaufwirtschaft, Abbau der Logistik und Wiederverwertung von Lebensmittelresten, sondern weil es auch diese Form der Zusammenarbeit durch eine Genossenschaft auch wie du am Anfang beschrieben hast, auch zu einem guten Leben auch für die Mitarbeitenden führt, eben mit geregeltem Urlaub und alles mögliches, was uns alle vielleicht zum Nachdenken bringen sollten, wie wir alltäglich arbeiten und wie es doch anders gehen könnte.

Danke dir für dieses Gespräch lieber Daniel, das war die Folge zum Thema Nachhaltige Landwirtschaft, produziert von der Petra-Kelly-Stiftung in Bayern.

 

Outro:

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