Schöner wirtschaften - Europa geschlechtergerecht gestalten!

Mit der Konferenz "Schöner wirtschaften" sollten Frauen in Ost und West ermutigt und darin unterstützt werden, sich um ihre wirtschaftlichen Belange selbst zu kümmern und dazu Bündnisse auf- und auszubauen.

Lesedauer: 5 Minuten
Female Empowerment © Markus Winkler / unsplash.com

Eine Internationale Konferenz

"Wirtschaftsmacht Europa", "Europa braucht (mehr) Wachstum", "Unternehmen drohen mit Jobexport" - so oder so ähnlich klingen aktuelle Schlagworte in einschlägigen Wirtschaftsmagazinen, wenn es um den Europäischen Wirtschaftsraum geht. Wer sind die AkteurInnen, die den europäischen Wirtschaftsraum gestalten? Wie und mit welchen Themen sind Frauen und Männer in Politik und Wirtschaft vertreten? Bislang ist die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an der Gestaltung und am Wohlstand Europas ein unerreichtes Ziel. Wie wird die Gleichstellung der Geschlechter in der Wirtschaft und der Wirtschaftspolitik in der erweiterten Europäischen Union befördert? Welche Zwischenbilanz kann aus der europaweiten Einführung von Gender Mainstreaming gezogen werden? Wie lauten die Anforderungen einer geschlechtergerechten Ökonomie? Welche alternativen feministischen Vorstellungen existieren? Wie kann es gelingen, diese verstärkt auf die politische Agenda zu setzen?

Mit der Konferenz "Schöner wirtschaften" sollten Frauen in Ost und West ermutigt und darin unterstützt werden, sich um ihre wirtschaftlichen Belange selbst zu kümmern und dazu Bündnisse auf- und auszubauen.

Im Eröffnungsvortrag "Standort Europa – ohne Frauen ist keine Wirtschaft zu machen" empfahl Brigitte Unger-Soyka vom BMFSFJ den Anwesenden, der privaten Wirtschaft gegenüber nicht zu sehr den Aspekt "Geschlecht" zu betonen, da Unternehmen das eher abschreckend empfänden. Sie befürwortete stattdessen die Diversity-Strategie. Gleichzeitig verwies sie auf die Notwendigkeit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, um Frauen bessere Einstiegschancen zu geben. Hier sieht sie die Schwerpunktaufgabe ihres Ministeriums. In den Diskussionsbeiträgen wurde eingewandt, dass die Diversity-Strategie inzwischen circa zehn Jahren alt ist und der Frauenanteil in Führungspositionen in der Privatwirtschaft in der Folge kaum gestiegen ist. Auch wurde festgestellt, dass die Konzentration auf die Vereinbarkeitsfrage als Erfolgsrezept für Frauen in der Wirtschaft zu kurz greife.

Im Beitrag von Jochen Kubosch, Leiter der Europäischen Vertretung in München, ging es um die Möglichkeiten der EU, auf eine geschlechtergerechte Wirtschaft hinzuwirken. Im Fazit stellte Kubosch fest, dass die Lissabon-Strategie dafür zwar gute Voraussetzungen schaffen würde, dass sie von den Mitgliedstaaten aber bereits heute als mehr oder weniger gescheitert angesehen wird und es enormer Anstrengungen bedürfte, um die angestrebten Ziele planmäßig bis 2010 zu verwirklichen.

In der Podiumsdiskussion "Die erweiterte Europäische Union – eine Chance für eine geschlechtergerechte Ökonomie" ging es wesentlich um die Positionen der Unternehmen einerseits und die der Gewerkschaften andererseits. Die IHK verwies auf die Fortschritte im Hinblick auf familienfreundliche Unternehmen hin und nahm kleine und mittlere Unternehmen in Schutz, die aufgrund der wirtschaftlichen Situation kaum in der Lage wären frauenfreundliche Bedingungen zu schaffen. Von gewerkschaftlicher Seite wurde entgegen gehalten, dass sich die Betrachtung ändern müsse, dass Kinder allein in der Verantwortung von Frauen lägen. In Bezug auf die Situation der Frauen in den Beitrittländern wurde festgestellt, dass es dort notwendig wäre, bessere staatliche Voraussetzungen für Unternehmerinnen und Gründerinnen zu schaffen, und dass diesbezüglich von Seiten der EU Impulse und finanzielle Unterstützung erwartet werden.

Der erste Konferenztag endete mit einem Weltcafé. Dabei handelte es sich um ein moderiertes Kennenlernen. In drei Runden tauschten sich die Teilnehmenden in stets wechselnden Fünfergrüppchen zu folgenden Fragen aus: Mit welchen Fragen und Anliegen sind Sie heute hier? Was bestätigt, erstaunt oder irritiert Sie? Wo sehen Sie zukunftsweisende Potentiale für Bewegung und Gestaltung? Der Austausch war über Sprachgrenzen hinweg sehr lebendig und ein schmackhaftes Buffet schaffte einen angenehmen Rahmen, die begonnenen Gespräche im Anschluss weiter zu führen.

Der Vortrag der Schweizer Ökonomin Mascha Madörin am Samstagmorgen gab einen Überblick über die feministische Ökonomie. Sie wies deutlich darauf hin, dass Geschlechtergerechtigkeit in der Wirtschaft weit mehr brauche als Kinderbetreuung, was sich u.a. daran zeige, dass es auch kinderlose hochqualifizierte Frauen kaum in Spitzenpositionen schafften. Eine ihrer Hauptforderungen ist die Verankerung einer feministischen Ökonomie.

In den Workshops gab es rege Diskussionen zu der zwar vergleichbar schlechten Stellung von Frauen in der Wirtschaft in Ost und West, aber den oft sehr unterschiedlichen historischen und aktuellen Voraussetzungen. So wurde deutlich, dass es den Frauen in den Beitritts- und neuen EU-Ländern sehr um eine Verbesserung der allgemeinen wirtschaftlichen Situation geht, an der auch sie als Frauen partizipieren möchten. Die Frage der gezielten Frauenförderung oder Gender Mainstreaming in wirtschaftlichen Zusammenhängen spielt für sie – noch? – kaum eine Rolle. Andere Themen waren u.a. eine empirische Studie zu Familienfreundlichkeit als ökonomischer Erfolgsfaktor in großen Unternehmen sowie die Erfolge und Schwierigkeiten von Gender Mainstreaming in den Europäischen Strukturfonds und Gender Budgeting.

Rezzo Schlauch (BMWA) stellte in der abschließenden Podiumsdiskussion fest, dass die freiwillige Selbstverpflichtung der Privatwirtschaft, die beruflichen Chancen von Frauen zu verbessern, gescheitert ist und das Thema wieder auf die politische Agenda müsse. Die Polin Dr. Ewa Ruminska-Zimny (UNECE) wies nochmals darauf hin, dass staatliche Zielformulierungen, wie die Erhöhung der Erwerbsbeteiligung von Frauen und ausreichende Kinderbetreuung, noch nichts an der tatsächlichen Situation von Frauen ändern.

Als Ergebnisse der Konferenz können gewertet werden: Erstens, dass sich die ökonomische Situation von Frauen in Ost- und Westeuropa im Kern ähnlich schwierig darstellt. Zweitens werden Frauen extrem aufmerksam sein müssen, dass ihre Forderung nach Geschlechtergerechtigkeit nicht auf die Frage der Vereinbarkeit reduziert wird. Und drittens ist es dringend geboten, eine feministische Ökonomie fest in allen wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Strukturen in Europa zu etablieren, um den langen Weg zu einem wirtschaftlich geschlechtergerechten Europa zu begleiten und zu forcieren.

Die Tagung "Schöner Wirtschaften – Europa geschlechtergerecht gestalten!", war sehr erfolgreich, vor allem auch unter dem Blickwinkel der notwendigen Vernetzung von Frauen und Frauenorganisationen in West- und Osteuropa, um eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in der Wirtschaft und Wirtschaftspolitik voran zu treiben. An der Konferenz nahmen knapp 120 Personen aus zwölf europäischen Staaten teil.



Partner