In Episode 1 von Jung und Aktiv trifft Host Bianca auf Fabian Ceska und Tobias Spiegelberg. Die beiden geben mit Detox Identity Workshops, in denen Themen wie Kritische Männlichkeit, Sexismus und Geschlechterrollen thematisiert werden.

Die Gründer Fabi und Tobi sprechen in der neuen Folge über ihre Arbeit bei Detox Identity. Sie werden zum Beispiel von Start Ups gebucht, die in ihren eigenen Teams für mehr Awareness sorgen möchten. Im Podcast berichten sie unter anderem von ihren Erfahrungen aus den Workshops.
Du erfährst auch, wie ein Workshop bei Detox Identity aufgebaut ist. Fabi und Tobi erzählen außerdem von ihren Beweggründen sich kritisch mit ihrem eigenen Geschlecht auseinanderzusetzen und wie sie so mit Detox Identity für Aufklärung sorgen wollen.
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Du möchtest mehr über Detox Identity erfahren? Dann wirf einen Blick auf ihre Homepage:
https://www.detox-identity.de/
Transkript
Bianca Dietz: Hi. Schön, dass ihr eingeschaltet habt. Mein Name ist Bianca Dietz und ich bin Host von Jung und Aktiv. In diesem Podcast tausche ich mich mit meinen Gästen über ihre Aktivismus Erfahrungen aus und warum es sich lohnt, sich für eine bessere Zukunft einzusetzen. Obwohl die Welt oft herausfordernd erscheint, gibt es bereits super viele inspirierende Ideen und Initiativen. Und darüber wollen wir heute sprechen. Heute sind Tobi und Fabi von Detox Identity zu Gast. Ich habe die beiden letztes Jahr auf einer Tagung zum Thema: „Antifeminismus begegnen“ kennengelernt und war richtig begeistert von ihrem Projekt und freue mich umso mehr, dass sie heute da sind. Schön, dass ihr da seid.
Tobias Spielberg: Vielen Dank für die Einladung.
Fabian Ceska: Hallo Bianca, danke dir.
Bianca Dietz: Wollt ihr euch einfach mal kurz vorstellen und natürlich Detox Identity? Was macht ihr so?
Fabian Ceska: Genau. Wir arbeiten beide bei Detox Identity und wir engagieren uns gegen strukturelle Diskriminierung mit Fokus auf kritische Männlichkeitsarbeit. Das heißt, wir machen Workshops, Weiterbildung, Organisationsentwicklung. Mit jungen Straftätern, jungen erwachsenen Multiplikatorinnen, aber auch mit Führungskräften und meistens mit dem Fokus auf kritischer Männlichkeitsarbeit. Vielleicht eine letzte Arbeit, die wir gemacht haben, die das ganz gut erläutert, ist, dass wir gerade ein Methodenkonzept rausgebracht haben in Kooperation mit der bpb, also der Bundeszentrale für politische Bildung. Da haben wir die letzten elf Monate das Privileg gehabt, forschen zu dürfen. Und zu den Fragen: wieso haben eigentlich so wenig Männer Bock auf Feminismus? Oder wieso haben so viele Männer keinen Bock auf Feminismus? Wie können wir profeministische Bildungsangebote auch für junge Männer verheißungsvoller machen? Und ganz wichtig: wie können wir das machen, so dass auch FLINTA*-Personen sich damit wohlfühlen, also Frauen, Lesben, Inter, nicht binäre Trans und Agender Personen „Sternchen“, also alle Personen, die nicht cis-Männer sind. Und da haben wir dazu geforscht und haben jetzt ein Methodenkonzept erstellt, wie das eben auch funktionieren kann, dass diese Männer abgeholt werden, die eigentlich antifeministische Tendenzen haben und erst mal auf den ersten Blick gar keinen Bock auf Feminismus haben. Vielleicht als erste kleine Antwort auf die große Frage.
Bianca Dietz: Ja, danke! Was ich daran spannend finde ist, auf Ihrer Website steht ja auch: „Feminismus ist gesund für alle“. Also das, was du gerade erzählt hast, Fabi, dass ihr auch cis-Männer erreichen wollt. Es hat ja auch was Gutes für die, Feminismus, oder was sagt ihr dazu?
Tobias Spielberg: Na dann mache ich mal weiter. Hallo, ich bin Tobi. Ja, Feminismus beschäftigt sich ja sehr viel mit Geschlechterkonstrukten und die haben einfach negative Auswirkungen auf uns alle. In dem Sinne, dass wir Möglichkeiten verlieren, wir selbst zu sein. Also wir kommen ja alle einfach als Subjekte irgendwie auf die Welt und haben unterschiedliche Möglichkeiten, wie wir ja sein könnten, was wir gerne machen, was wir, was wir gern arbeiten würden, was für Hobbys wir haben und so. Und dadurch, dass wir mit diesen Geschlechterkonstrukten und den Anforderungen, den Erwartungen konfrontiert werden, verlieren wir Möglichkeiten. Oder wir verbieten uns die oder kriegen quasi Sanktionen aus der Gesellschaft dafür, wenn das erstmal nicht zu dem Geschlechterkonstrukt passt, was eigentlich zu uns passt. Und das ist eine ganz zentrale Sache, die wir Jugendlichen vermitteln oder auch älteren Menschen vermitteln, dass Geschlechterkonstrukte Verlust bedeutet für uns alle. Und dass beispielsweise Männer, wenn sie sich verbieten, Emotionen zu zeigen oder auch Emotionen wahrzunehmen, auch darüber, wenn sie beispielsweise über Sport sozialisiert werden, dass sie darüber verlernen, Emotionen zu artikulieren, auch die Bedürfnisse dahinter zu erkennen und darüber auch so was wie Beziehungsgestaltung schwieriger wird oder auch später in ihren beruflichen Möglichkeiten sehr eingeschränkt sind, weil einfach so etwas wie Empathie weniger ausgebildet wird. Und das ist ein Beispiel dafür, inwiefern auch männlich sozialisierte Personen unter dem Patriarchat leiden. Nichtsdestotrotz ist es auch super wichtig, im gleichen Zug immer auch dafür zu sensibilisieren, dass das Patriarchat eine Struktur ist, unter der vor allem Frauen und queere Menschen besonders leiden und das auch sehr stark mit der männlichen Sozialisation einhergeht. Also die Person merken, dass macht was mit ihnen selber. Das hat, auch vielleicht mit den Problemen zu tun, die sie heute beschäftigen, also auf einer ganz persönlichen Ebene, aber vor allem die Menschen um sie herum, also die FLINTA* Personen um sie herum, leiden besonders. Und da ein Mitgefühl zu entwickeln und dieses Leid auch wahrzunehmen oder die Probleme, die diesen Menschen begegnen, in ihren Lebenssituationen, ist eine ganz zentrale Aufgabe, der wir nachgehen und das auch immer wieder ganz gut klappt, die Menschen dafür zu sensibilisieren.
Bianca Dietz: Könntet ihr vielleicht kurz skizzieren, wie so ein Workshop aussieht? Ich nehme mal an, die sehen natürlich alle unterschiedlich aus, je nach Zielgruppen.
Fabian Ceska: Also du hast es schon angesprochen, es ist je nach Kontext, je nach Zielgruppe, je nach Alter sehr, sehr unterschiedlich. Vielleicht, damit du dir was Plakatives vorstellen kannst. Wir kamen letztens in einer größeren Organisation in ein Raum, wo nur cis-Männer waren, das war nur für cis-Männer ausgeschrieben. Das war jetzt zwar kein Pflichttermin, aber wenn die Männer nicht kamen, wurde das auf jeden Fall bemerkt. Ich sage es mal so und wir kamen rein. Alles erwachsene cis-Männer, die jetzt zu den Themen profeministischen oder feministischen Themen nicht besonders großes Vorwissen hatten. Und wir kamen rein in der Stimmung. Das hat man schon gefühlt. Der ganze Raum war eher so, dass sie jetzt nicht dachten: „Ah wie cool, dass ihr hier seid.“ Das war jetzt eher so ein „ihr kriegt jetzt mal schön auf die Schnauze, ihr zwei kleinen jungen Männer da“, jetzt tendenziell. Das wurde nicht gesagt, aber das war die Energie in der Luft und das wissen wir schon im Vorhinein, weil die Themen, vor allem feministische, profeministische Themen, oftmals sehr negativ konnotiert sind. Und wie wir damit umgehen, ist eigentlich von Anfang an und immer wieder durchgehend mit Erwartungen brechen. Da zum Beispiel haben wir dann gestartet, dass wir sehr private, aber auch witzige Erzählungen aus unseren eigenen Männlichkeitsanforderungen erzählt haben. Also autobiografisch gestartet haben, wo wir FuckUp Stories erzählt haben, was bei uns einfach nicht geklappt hat. Wo wir uns heutzutage schämen. Die erste Reaktion war wirklich, dass die Person, die im Raum saß und eigentlich die negativste Energie am Anfang hatte, direkt rein gerufen hat, es nicht mehr ausgehalten hat und meinte: „Hey, können wir uns nicht direkt duzen?“ Und damit war schon die Anschlussfähigkeit geschafft. Und das ist auch ein riesiges Privileg, was wir haben, als cis-Männer dieses „manplauding“. Dazu kommen wir gleich noch. Aber dass wir eine Anschlussfähigkeit haben und über persönliche Geschichten bonden können und dann aber direkt im Anschluss an das Wichtige denken, direkt das kritisch hinterfragen und auch bearbeiten können. Genau das war ein Startschuss.
Bianca Dietz: Aber kommen Sie jetzt natürlich nicht umhin, so eine FuckUp Story zu erzählen.
Fabian Ceska: Okay, wow, Das habe ich mir selbst eingebrockt. Dann mache ich eine kurze. Ich erzähle jetzt die, die ich da auch erzählt habe. Die Story, mit der ich reingekommen bin, nämlich, ich bin, das hört man jetzt vielleicht nicht mehr raus, aber ich bin eigentlich in Wien Österreich groß geworden, da geboren und hab da direkt seitdem ich vier bin, Hochleistungssport Fußball gespielt. Also drei, viermal pro Woche meine ganze Jugend. Und da habe ich, obwohl ich sehr süß war, ich sah sehr süß aus, aber ich war gar nicht süß in dem Alter. Sondern ich habe gelernt Durchsetzungsfähigkeit, Konkurrenzfähigkeit, Wettbewerb ist super wichtig, so dass viele der Leute, die mit mir im gleichen Verein Fußball gespielt haben, von mir so angeschrien wurden und fertiggemacht wurden. Genau, das sie auch teilweise mit Fußball wegen mir aufgehört haben. Das habe ich im frühen Alter erlernt, diese Konkurrenzwettbewerbe. Später auch im jungen Nationalteam Rugby wo ich gespielt habe und da in jedem Spiel in der Minute 30 raus musste, um mich zu übergeben, weil ich mich überanstrengt habe. Jedes Spiel und das wussten schon alle im Publikum und ich wurde deswegen auch angefeuert und gelobt. Aus dem Publikum wurde: „Fabi, Fabi“, mein Name gerufen und ich wurde dafür gefeiert, dass ich über eigene Grenzen gegangen bin. Und das hat sich in mir internalisiert. Das habe ich so gelernt und das versuche ich bis heute zu verlernen, das eigentlich über eigene Grenzen zu gehen nichts Positives ist, sondern was sehr Negatives. Dann gibt es eine Theorie dazu. Die ersten Spiele des Wettbewerbs, das habe ich eben in dieser jungen männlichen sportlichen Sozialisation erlernt. Und bis heute versuche ich, diese schadhaften Verhaltensweisen zu verlernen, was wirklich übertrieben schwierig ist.
Bianca Dietz: das Schlimmste ist, Sachen zuverlernen, die man so drinnen hat. Ich kenne es natürlich auch von mir, aber ein bisschen was anderes zu eurem Werdegang. Also ich muss sagen, ich bin nicht wahnsinnig stolz drauf, aber ich als cis-Frau habe mir in meiner Jugend immer gedacht, na ja, also Gleichberechtigung, was haben Sie denn alle? Das passt doch schon. Naja, jetzt bin ich älter und ich weiß, es passt natürlich überhaupt nicht und wir sind sehr, sehr weit davon entfernt. Aber bei euch ist es ja dann noch mal was anderes als cis-Männer. Euch müsste das ja prinzipiell gar nicht interessieren. Ich bin natürlich sehr froh, dass es nicht so ist. Aber wie ist das gekommen? Also ihr seid jetzt nicht die Paradebeispiele von Leuten, die sich mit Feminismus auseinandersetzen, wenn man das mal so sagen darf.
Tobias Spielberg: Ja, genau. Vielleicht erzähle ich auch noch eine kleine Geschichte aus meiner Jugend oder meinem Aufwachsen. Ich bin mit zwei Schwestern groß geworden, mit denen ich auch sehr nahe schon immer bin. Und ich würde sagen, in meiner Jugend habe ich vor allem über diese Perspektive mal mitbekommen, was für Herausforderungen sie haben oder was für sexistische Situationen denen im Alltag begegnen. Wir waren auch viel zusammen abends unterwegs und so und da gab es viele Situationen, wo ich schon sehr viel Sexismus mitbekommen habe, auf diese Art, aber immer eher aus einer nichtbetroffenen Perspektive. Die habe ich damals noch nicht als solche benannt, aber ich war halt immer eher so dabei, habe gemerkt, jetzt passiert was Doofes. Da bin ich sehr in so für Männer vorgesehene Rollen gegangen, habe so was wie Beschützer gemacht, habe so was wie irgendwie laut sein oder groß sein verwendet, um diese Situation aufzulösen und habe quasi das immer als ein Thema verstanden, was vor allem Frauen betrifft oder queere Menschen, aber mit dem ich persönlich einfach nicht viel zu tun habe, weil es ja quasi eigentlich kein Problem für mich ist. Und aus dieser passiven Haltung habe ich mein ganzes Schulzeit Leben nicht wirklich rausgefunden. Und dann während des Studiums, wo dann so meine Lebensprobleme auf die Art aufkam, dass ich mich dann mehr mit befasst habe und auch studiert habe und dazu dann irgendwie Theorien kennengelernt habe, die so was wie Identität thematisiert haben, die so was wie Sozialisation thematisiert haben und dann irgendwann hatte ich das Glück, auch mal einen Kurs zu Feminismus zu haben. Und natürlich im Studium habe ich auch schon öfter mal über so Themen diskutiert, aber habe da auch immer nicht so richtig diesen nächsten Schritt gemacht, der jetzt aus meiner heutigen Perspektive eigentlich total naheliegt: zu schauen, so was habe ich jetzt als männlich sozialisierte Person, die auch durch die Welt läuft und sich verhält, auf eine gewisse Weise, eigentlich mit den Problemen zu tun habe, die ganz vielen FLINTA*-Personen alltäglich begegnen. Und da dann habe ich angefangen, endlich darüber nachzudenken und diesen nächsten Schritt zu machen und wirklich mit der Privilegienarbeit zu beginnen, die bedeutet, mir Sexismus oder strukturelle Diskriminierung anzuschauen, indem ich zuhöre. Was nehmen Menschen wahr und inwiefern kann ich das aus meiner Position auch erst mal nicht mit eigenen Erlebnissen verbinden, sondern kann wirklich einfach nur von denen lernen? Und dann habe ich angefangen, mich auch wirklich das erste Mal mit dem Thema Männlichkeit auseinanderzusetzen. Auch durch diesen Kurs, den ich im Auslandssemester hatte. Meine eigene Uni hat sowas leider nicht angeboten und dann erst mal angefangen Was bedeutet eigentlich Männlichkeit oder männliche Sozialisation. Und da dann ganz viele Verbindungslinien festgestellt zu Problemen, mit denen ich mich da gerade so rumschlagen musste. Was auch etwa Beziehungsfähigkeit anbelangt, aber auch so eigene Grenzen übertreten, was ich eben schon gesagt hat. Das hat alles irgendwie mit Männlichkeit zu tun. Und dann diese Gleichzeitigkeit von so. Mich hat das ganz schön geprägt und ich muss da jetzt ganz schön viel reinstecken, um diese ganzen blöden Verhaltensweisen, die ich selber an mir nicht mag oder auch an anderen Männern nicht so mag, irgendwie wieder zu verlernen und andere Räume zu kreieren, indem wir anders miteinander sein können. Das ist ganz schön anstrengend und man fällt da immer wieder in die gleichen Muster zurück. Also es ist ein stetiger Prozess und das ist aber total notwendig, um diese Ungerechtigkeit, die ich ja mein Leben lang schon wahrgenommen habe, aber wo ich mich nicht verantwortlich gefühlt habe, daran was zu ändern, zu bearbeiten und diese Verantwortung, die habe ich da das erste Mal gespürt und ich würde sagen, der sind wir dann einfach nachgegangen. Also Fabi hat noch mal eine andere Geschichte dazu, aber da hat sich das, glaube ich, in dem Moment ganz gut getroffen. Wir waren so: wir müssen jetzt was machen und wir müssen quasi als Männer was machen mit Männern, weil die sind das Problem oder Männlichkeit ist das Problem jetzt. Also nicht die Person selber, sondern die männliche Sozialisation ist einfach sehr problematisch. Und sobald man anfängt darüber nachzudenken, lässt sich auch was bewegen.
Fabian Ceska: Vielleicht noch eine Ergänzung dazu. Wir haben unterschiedliche Positionierungen. Auch das hört man jetzt erstmal nicht raus. Aber ich bin eine PoC-Person, also PoC heißt Person of Colour, also nicht weiß und negativ von Rassismus betroffen. Und das gibt mir auch noch mal andere Zugänge und aber auch andere Beweggründe, warum eigentlich feministische und oder profeministische Theorie für mich super sinnvoll ist. Ich habe mich dem Thema Männlichkeit und kritischer Männlichkeit erst mal aus der Position des privilegierten Mannes genähert. Weil ich mein ganzes Leben lang nie auf meine Rassismen geschaut habe, oder schauen durfte. Das ist auch eine Coping-Strategie, um mit Diskriminierung umzugehen. So zu tun, als gäbe es sie nicht, um in den bei mir sehr weißgelesenen Räumen, wo sehr viele weiße Leute waren, irgendwie durchzukommen und nicht als das Problem zu gelten. Und deswegen habe ich mich erstmal der ganzen feministischen Theorie mit meinen Privilegien genährt und gemerkt okay, es gibt so viel, was ich überdenken muss und verändern muss. Um dann peu a peu jedes Jahr mich näher auch an das Thema Rassismus ranzutrauen und dann zu merken, dass es viele Teile von feministischen Theorien gibt. Ich darf mich auch selbst in der betroffenen Rolle sehen und dementsprechend versuchen wir auch in unseren Workshops, Seminaren und Weiterbildungen klarzumachen: Feminismus der dritten Welle versucht strukturelle Diskriminierung für alle abzuschaffen und eine bessere Welt für alle, vor allem für die, die von strukturell Diskriminierung betroffen sind, zu schaffen. Deswegen da gibt es ganz viel Potenzial und auch ganz viele Allies und Verbündete, die jetzt nicht nur privilegierte Männer sind, noch zu bekommen und zu finden. Was für mich auch ganz ehrlich gesagt ein großer Beweggrund war zu merken, es gibt da Antworten und Hilfe für mich.
Bianca Dietz: Jetzt würde ich noch mal über etwas anderes sprechen. Ihr habt das vorher schon angesprochen. Ihr seid viel in Unternehmen unterwegs, im Bereich der Organisationsentwicklung, auch bei Start-ups. Was man über Start-ups sagen kann, glaube ich, ist, dass sie komplett von Männern dominiert sind. Also mehr als die Hälfte aller Start-ups werden von rein männlichen Teams gegründet. Weniger als 1/3 bestehen aus gemischten Teams, also ungefähr 28% und nur jedes zehnte Team besteht aus Frauen. Das hat ja auch was mit Strukturen zu tun und ich kann das tatsächlich auch für mein Umfeld bestätigen. Also viele meiner männlichen Freunde arbeiten oder gründen Start-ups und die wenigsten meiner weiblichen Freundinnen. Bzw. ich glaube fast gar keine. Also ich kenne das, dass es irgendwie sehr, sehr männlich geprägt ist und ich glaube, es hat auch was mit einer unterschiedlichen Herangehensweise, mit einer unterschiedlichen Sozialisation zu tun. Und ich glaube auch bei Start-ups spielt Diversity irgendwie eine untergeordnete Rolle. Bestimmt wollen alle divers sein und auf der anderen Seite schauen wir, wie wir irgendwie möglichst vorankommen, wie wir uns möglichst wirtschaftlich irgendwie positionieren. Und wir müssen einfach wachsen und da kann das quasi keine vorrangige Rolle spielen. Sehe ich das richtig oder würdet ihr mir zustimmen? Würdet ihr dagegen argumentieren?
Tobias Spielberg: Ich finde, du hast jetzt schon ein paar Punkte gesagt, auf die ich auch schaue, wenn ich dieses Phänomen begreifbar machen möchte. Nämlich einmal Geschlechtersozialisation führt dazu, dass Männern beigebracht wird oder an Männer auch eher die Erwartung herangetragen wird: du kannst risikobereit sein, verwirkliche dich selber, du bist das Subjekt, es geht um dich, auch so ein bisschen immer eine narzisstische Grundstruktur, die mitgegeben wird. Schaffe ein Unternehmen, das deinem Abbild gleicht, verwirkliche dich selber. Es ist ein Glaubenssatz, der sehr männlich konnotiert ist, jetzt im beruflichen Sinne, der sich mittlerweile im kapitalistischen System aber auf immer mehr Leute auch überträgt. Auf jeden Fall. Aber das sind dann andere Arten, wie weiblich und männlich sozialisierte Personen diesem Credo folgen. Jetzt zu dem zweiten Teil deiner Frage. Ich glaube, dieser Faktor Wettbewerbsfähigkeit spielt eine große Rolle. Ich habe jetzt eben schon kurz angesprochen. Wir arbeiten viel mit der Theorie „Die Grenzen des Wettbewerbs“ von Bourdieu und da geht es darum, inwiefern in homo sozialen Gruppen nennt sich das, also in Gruppen, wo aus ausschließlich Jungen* sind, also männlich gelesene Personen, Wettbewerbe ausgetragen werden und darüber so ein gewisses Verhalten antrainiert wird. Eigenschaften, die sehr auf Wettbewerb und Durchsetzungsfähigkeit und sowas ausgerichtet sind. Und das überträgt sich dann im späteren Verlauf des Lebens auch auf eine Art der Performance, die die Personen zeigen. In wirtschaftlichen Kontexten, wo es immer um Wettbewerb geht, immer um dieses Bestehen an irgendeinem Markt. Und da sich gewisse männliche, männlich konnotierte Verhaltensweisen sehr stark festgesetzt haben und die Norm darstellen, sobald Personen anfangen, an diesen wirtschaftlichen Prozessen teilzuhaben und immer denken so und so muss sich verhalten werden, um in diesem Wettbewerb bestehen zu können. Und da ja kulturell sehr stark eine männliche Normierung nach wie vor besteht und gleichzeitig und das erleben wir auch viel. Aber das sind auch, glaube ich, die Start-ups, die uns dann anfragen. Wir kriegen auch Anfragen von Start-ups. Ist das eine, sind das oft sehr junge Menschen, die auch die, die auch sozialisiert wurden mit einem anderen Gerechtigkeitssinn oder mit einem Gerechtigkeitssinn, der so was wie: „Wir schreiben uns von vornherein Diversity oder vielleicht auch eher Diskriminierungskritik.“, wenn Sie es schon ein bisschen weiter sind auch: „feministisch, auf unsere Fahren.“ Also wir möchten von Anfang an eine Organisation aufbauen, die Diskriminierungskritik mitdenkt und ja, zumindest auch nach außen ausstrahlt, weil wir wollen ja auch diese Generation repräsentieren und wir wollen auch, dass Leute das mit uns assoziieren. Vielleicht, wäre jetzt meine erste Nachfrage, vielleicht eher aus dem Marketinggedanken heraus, aber auch oftmals aus so einem „Ich habe das mitbekommen, das ist gerade cool“ und so will ich ja auch sein. Ich bin jung und idealistisch. Ich möchte jetzt, dass meine Organisation so ist und ich versuche auch mein Team eigentlich diverser aufzubauen, also das ganze Personal. Wir suchen bewusst nach Personen, die nicht weiß männlich cis sind, um unser Team zu bereichern. Welche Position die dann bekommen, ist dann wieder die nächste Frage. Aber quasi das, was erstmal öffentlichkeitswirksam ist, wird versucht irgendwie möglichst divers auszugestalten, auch wie dann das Team sich zeigt usw. und wie wir zu den Themen arbeiten. Wenn wir dann Workshops mit Start-ups machen, ist von dieser personalen Ebene wegzugehen und von diesen rein quasi strukturell verankerten, öffentlich sichtbaren Strukturen Abstand zu nehmen und zu schauen, was passiert hier eigentlich im Miteinander? Also was, was habt ihr für eine Kultur, die immer wieder, wenn es um Entscheidungen geht, wenn es um Führungsrollen geht, also auch in diesen ganzen flachen Hierarchie Teams, wer übernimmt welche Rolle? Wer übernimmt die Rolle, unser Unternehmen bei dem nächsten Konvent zu präsentieren? Da finden Entscheidungen statt, die sich immer wieder an so einer männlichen weißen Norm ausrichten. Also kann auch sein, dass andere Personen dahin geschickt werden, aber die Erwartung, wie sie sich verhalten, soll bitte so sein wie die weißen Männer, die halt da auch sind. Also da findet quasi immer wieder kulturell dieser Anpassungsdruck statt, wenn ihr Entscheidungspositionen übernehmen wollt. Und wenn ihr in Führungspositionen gehen wollt, macht das bitte. Aber verhaltet euch bitte so wie die Männer, die da schon immer sind, weil das ist die Norm, die gut ist und die halt am Markt gut funktioniert. Und in den Momenten würde ich sagen scheitert eigentlich so ein Diversity Bestreben. Das ist dann jetzt diese Business Start-up Welt, die das so nennen, aber ja auch quasi eine Idee. Diskriminierungskritik in der Kultur zu verankern, weil dann geht es immer nur eigentlich nur um die Außenwirkung und nicht darum, wirklich unterschiedliche Biografien, unterschiedliche Prägungen auch Raum zu geben und da sein zu lassen. Und dann müssen sich Personen halt krass anpassen, die von außen kommen. Und dann ist auch die Frage, ob die da Bock drauf haben, weil das auch so wer möchte auch in so Teams arbeiten? Denn wenn diese Anforderungen besteht, verhalten sich halt so wie die weißen Boys, die da gerade aus ihrem „Tecky Studium“ kommen, weiß ich nicht, ob da Personen, die halt nicht so sozialisiert sind, überhaupt Lust drauf haben.
Bianca Dietz: Okay, also ich nehme irgendwie ein bisschen mit, von deiner Antwort, dass Wunschdenken von Start-ups oft mit der Realität clashed. Beziehungsweise, dass da einfach noch sehr viel zu tun ist. Aber es ist ja gut, dass ihr euch dem Thema angenommen habt und solche Workshops anbietet und vielleicht ja auch schon ein bisschen bei den Unternehmen Learnings ankommen und einfach ein bisschen mehr wahrgenommen wird. Das nicht das cis-Man Modell das Nonplusultra ist und wir uns auch umorientieren können. Alle miteinander. Ich habe eine Frage und zwar eine, die ich allen stelle am Schluss, weil es geht ja in dem Podcast auch darum, dass viele Leute gerne ehrenamtlich aktiv werden und aber einfach nicht wissen, wie. Und ich würde gerne von euch wissen, welchen Tipp hättet ihr früher gerne bekommen? Also was, würdet ihr den Leuten raten, die sich engagieren wollen?
Tobias Spielberg: Also erst mal auch ins Machen kommen. Das ist jetzt auch eine sehr männlich sozialisierte Antwort. Handlungsorientierung. Aber in der Tat ist das etwas, was einem Sicherheit verschafft. Also dieses so sich ausprobieren, in Kontakt mit Menschen kommen, auch über diese Themen reden und dabei einfach lernen. Und ich glaube, das ist so ein bisschen das Zentralste, was mich durch diese Zeit trägt. Dass ich relativ schnell, also das hängt auch mit dem Thema zusammen, dass ich ununterbrochen lerne. Mit jeder Gruppe, die wir da anleiten und uns mit auseinandersetzen, entstehen unglaublich spannende Lernpotenziale. Und ich brauche einfach diese Haltung, dass ich mich als stetig lernend verstehe.
Fabian Ceska: Ich kann ergänzen bzw. das vielleicht noch ausführen, was Tobi gesagt hat. Lernen in dem Sinne von auch ganz offen sein dafür, Fehler zu machen und Kritik, die auf die Fehler kommt, als Feedback oder Kritik anzunehmen und das dann mitzunehmen und auch dankbar zu sein dafür. Das größte Problem ist nicht unbedingt, dass cis-Dudes Fehler machen, das ist schon ein Riesenproblem. Fehlverhalten ist ein Riesenproblem. Das will ich gar nicht relativieren. Aber ich finde, das noch größere Problem ist, der Umgang mit Kritik oder mit Feedback, oder mit Korrekturen. Nämlich dass da noch mal aggressiver und stärker, dominanter, durchsetzungsfähiger darauf reagiert wird, oftmals vor allem von mächtigen Männern. Und da das zu lernen, wenn man aktiv sein will, das auch einfach anzunehmen und nicht zu glauben, von Anfang an alles richtig machen zu müssen, was eben die Handlungsfähigkeit ganz stark einschränkt. Es gibt ganz viele, vor allem Männer, die jetzt immer mehr auch profeministischen, feministischen Debatten Verständnis haben und ganz viel Vorwissen. Aber sich einfach nicht trauen, in die Handlung zu gehen. Das trifft nicht nur auf cis-Männer zu. Da gibt es auch ganz viele FLINTA*-Personen, die genau das gleiche haben, weil sie Riesenangst haben in den Themenfeld Fehler zu machen. Und Tobi und ich, ich würde sagen, wir haben jeden einzelnen Fehler, den man machen kann, einmal gemacht, also absolut und dann berechtigte Kritik jedes Mal bekommen. Aber wir haben wirklich jeden Fehler, ich hoffe zumindest nicht viel öfter als einmal gemacht, weil wir das auch ernst genommen haben und dann versucht haben, die Sachen umzusetzen, zu verändern und das auch als Geschenk anzunehmen. Und das Ziel ist vor allem in diskriminierungskritischer Arbeit, vor allem in profeministischen Debatten, eigentlich so elegant wie möglich zu stolpern. Das ist jetzt ein Begriff, den habe ich von Iven Saadi mir ausgeliehen habe. Wir stolpern die ganze Zeit, weil wir wissen gar nicht, wie wir es richtig machen können. Aber wir wissen ganz genau, was falsch läuft. Und das ist ganz klar und dementsprechend jede Art, die wir irgendwie anders machen als viele Sachen, die bisher laufen. Männliche Führungskultur, die Durchsetzungsfähigkeit in Konkurrenz, der Wettbewerb, das ist alles schon mal einen Schritt in die richtige Richtung. Selbst wenn wir langsam vorankommen und stolpern, ist es besser in die Richtung zu laufen als super schnell in die andere Richtung zu sprinten. Genau das würde ich sagen, haben wir vielleicht die letzten Jahre gelernt.
Bianca Dietz: Dann danke ich euch. Ich finde es total schade, dass unsere Zeit schon abgelaufen ist. Irgendwie verging es richtig schnell. Es war mega interessant. Ich finde eure Arbeit super und ich hoffe das wir uns bald wiedersehen. In einem anderen Kontext und wünsche euch natürlich alles Gute und gutes Gelingen bei all euren Workshops. Schön, dass ihr da wart und danke.
Tobias Spielberg: Danke schön.
Fabian Ceska: Danke Bianca. Es war sehr schön mit dir. Danke.
Bianca Dietz: Das war ein Podcast der Petra Kelly Stiftung. Wir sind das Bayerische Bildungswerk für Demokratie und Ökologie in der Heinrich Böll Stiftung. Wenn ihr mehr über unsere Arbeit erfahren wollt, dann schaut auf unserer Website vorbei https://www.petrakellystiftung.de/de oder auf Social Media unter @kelly_stiftung. Das war's für heute. Schön, dass ihr wieder eingeschalten habt. Und bis zum nächsten Mal.